Racheklingen
hatte.
»Bei den Toten, jetzt fühle ich mich besser. Ganmark ist in der Stadt, hat sie gesagt?«
»Uh.« Monza brachte kein Wort heraus. Ihre Haut war gerötet und brannte.
»Dann würde ich sagen, wir haben etwas zu erledigen.« Espe schien nicht aufzufallen, dass sich ein klebriger See aus Blut rund um seine großen nackten Füße ausbreitete und zwischen seine Zehen kroch. Er hob den Sack hoch und sah hinein. »Hier sind Rüstungen drin? Dann lege ich wohl besser eine an, Häuptling. Ich hasse es, in falscher Kleidung bei einem Fest zu erscheinen.«
Der Garten in der Mitte von Saliers Galerie zeigte keinerlei Anzeichen des nahenden Schicksals. Wasser sprudelte, Blätter rauschten, ein oder zwei Bienen summten träge von einer Blume zur nächsten. Weiße Blüten rieselten gelegentlich von den Kirschbäumen und bestäubten den sauber gemähten Rasen.
Cosca saß im Schneidersitz da und bearbeitete die Schneide seines Degens mit einem Wetzstein. Das Metall sang leise. An seinem Schenkel fühlte er den Druck von Morveers Reiseflasche, aber er spürte kein Verlangen, sie an die Lippen zu setzen. Der Tod stand vor der Tür, und daher war er völlig ruhig. Sein glückseliger Augenblick vor dem Sturm. Er legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen, spürte die warme Sonne auf dem Gesicht und fragte sich, wieso er sich niemals so fühlte, wenn nicht gerade die ganze Welt um ihn herum in Flammen aufging.
Eine sanfte Brise strich durch die schattigen Kolonnaden, durch die Eingänge zu den Korridoren voller Bilder. Durch ein offenes Fenster war Freundlich zu sehen, der die Rüstung eines talinesischen Wachmanns trug und jeden Soldaten auf Nasurins riesigem Gemälde von der zweiten Schlacht bei Oprile zählte. Cosca grinste. Er bemühte sich stets, den Schwächen anderer Menschen gegenüber nachsichtig zu sein. Schließlich hatte er selbst eine ganze Menge.
Vielleicht ein halbes Dutzend von Saliers Wächtern war im Palast geblieben und hatte sich mit den Uniformen von Herzog Orsos Heer getarnt. Männer, die treu genug waren, um an der Seite ihres Herrschers zu sterben. Er schnaubte, als er den Wetzstein ein weiteres Mal an seiner Klinge entlangzog. Treue hatte neben Ehre, Disziplin und Selbstbeherrschung für ihn stets auf der Liste unbegreiflicher Tugenden gestanden.
»Warum so glücklich?« Day setzte sich neben ihn aufs Gras, einen Flachbogen auf den Knien, und nagte an ihrer Unterlippe. Die Uniform, die sie trug, stammte vermutlich von einem kleinen toten Trommler und passte ihr gut. Sehr gut. Cosca fragte sich, ob es verwerflich war, dass er eine hübsche Frau in Männerkleidung so anziehend fand. Er fragte sich darüber hinaus, ob sie vielleicht dazu überredet werden konnte, einem Waffenbruder … beim Schärfen seiner Klinge zu helfen, bevor die Kämpfe begannen? Er räusperte sich. Natürlich nicht. Aber man durfte ja zumindest träumen.
»Vielleicht stimmt da etwas nicht in meinem Kopf.« Mit dem Daumen rieb er einen Fleck vom Stahl. »Morgens aufstehen.« Metall sang. »Ein Tag voller ehrlicher Arbeit.« Der Wetzstein schabte. »Frieden. Alltäglichkeit. Nüchternheit.« Er hob den Degen ans Licht und betrachtete das funkelnde Metall. »All das sind Dinge, die mir Angst machen. Gefahr hingegen bringt mir schon seit langer Zeit die einzige Linderung. Iss etwas. Du brauchst deine Kraft.«
»Ich habe keinen Appetit«, erwiderte Day düster. »Ich habe nie zuvor dem sicheren Tod gegenübergestanden.«
»Ach, komm schon, sag das nicht.« Er stand auf und bürstete sich die Blüten von den Hauptmannsinsignien seiner gestohlenen Uniform. »Wenn es eines gibt, was ich bei den vielen Malen gelernt habe, die ich mich in einer aussichtslosen Lage befand, dann ist es das: Der Tod ist niemals sicher, sondern allenfalls … äußerst wahrscheinlich.«
»Wahrhaft aufmunternde Worte.«
»Ich gebe mir wirklich alle Mühe.« Cosca ließ das Schwert schwungvoll in die Scheide fahren, nahm Monzas Calvez zur Hand und schlenderte zur Statue des Kriegers hinüber. Seine Exzellenz Herzog Salier stand in dessen muskulösem Schatten, angesichts des bevorstehenden Heldentods angetan mit einer makellosen weißen Uniform, die mit Goldfäden bestickt war.
»Wie konnte es nur so enden?« Er grübelte vor sich hin. Dieselbe Frage hatte sich Cosca so oft gestellt, wenn er den letzten Tropfen aus irgendeiner billigen Flasche saugte. Wenn er verwirrt in irgendeinem fremden Hauseingang erwachte. Wenn er irgendeine
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