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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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fühlend.
    Die Stufen führten zu einer düsteren Galerie, die eine Seite eines hohen Saals einnahm, dessen Tonnengewölbe mit vergoldeten Blättern verziert war. Die ganze Wand bestand aus einer großen Orgel, deren polierte Pfeifen aus geschnitztem Holz emporragten. Vor der Tastatur stand ein Hocker für den Organisten. Darunter, hinter einem schön geschnitzten Holzgeländer, lag das Musikzimmer. Söldner kreischten vor Vergnügen und prügelten eine lärmende Sinfonie aus den Instrumenten, die sie dabei zerschlugen.
    »Wir sind ganz nahe dran«, flüsterte sie über ihre Schulter.
    »Gut. Es ist an der Zeit, die Sache hinter uns zu bringen, würd’ ich sagen.«
    Genau das dachte sie auch. Vorsichtig schlich sie zu der hohen Tür in der gegenüberliegenden Wand. »Orsos Gemächer liegen in dieser Richtung.«
    »Nein, nein.« Stirnrunzelnd wandte sie den Kopf. Espe stand grinsend da, und sein metallenes Auge schimmerte im Dämmerlicht. »Das meine ich nicht.«
    Sie fühlte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief. »Was dann?«
    »Du weißt, was.« Sein Lächeln wurde breiter, die Narben verzogen sich, und er streckte seinen Hals nach links und nach rechts.
    Gerade rechtzeitig duckte sie sich und nahm eine Kampfhaltung ein. Fauchend kam er ihr entgegen, und die Axt blitzte auf. Sie wich aus und warf dabei den Hocker um, stürzte beinahe und versuchte immer noch, ihre Gedanken zu sortieren. Seine Axt schlug in die Orgelpfeifen und verursachte ein dröhnendes, verrücktes Geräusch. Er drehte die Klinge wieder heraus und hinterließ ein klaffendes Loch in dem dünnen Metall. Dann setzte er ihr wieder nach, aber nun war der Schreck vergangen, und kalte Wut war an seine Stelle getreten.
    »Du einäugiger Schwanzlutscher!« Vielleicht nicht besonders originell, dafür aber von Herzen. Sie machte einen Satz auf ihn zu, aber er blockte den Calvez mit seinem Schild ab, schwang die Axt, und sie konnte nur noch knapp ausweichen. Die schwere Klinge krachte in das Gehäuse der Orgel, und Splitter flogen durch die Gegend. Wachsam zog sie sich zurück, hielt Abstand. Sie konnte dieses wuchtige Stahlgewicht ebenso wenig abwehren, wie es ihr gelungen wäre, dieser Orgel eine süße Melodie zu entlocken.
    »Warum?«, fauchte sie ihn an, während sich die Spitze des Calvez in kleinen Kreisen bewegte. Seine Gründe waren ihr dabei scheißegal, sie wollte ihn lediglich hinhalten und nach einer Lücke in seiner Deckung suchen.
    »Vielleicht hing mir deine Verachtung zum Hals raus.« Geschützt hinter seinem Schild rückte er vor, und sie wich weiter zurück. »Oder vielleicht hat Eider mir auch einfach mehr angeboten.«
    »Eider!« Sie spuckte ihm ihr Lachen ins Gesicht. »Das ist eben dein Problem! Du bist ein verdammter Vollidiot!« Bei dem letzten Wort schlug sie zu, versuchte, ihn zu überraschen, aber er ließ sich nicht täuschen und parierte ihre Stöße ruhig mit seinem Schild.
    »Ich bin der Vollidiot? Nach dem ich dir wie oft das Leben gerettet habe? Ich habe mein Auge gegeben! Damit du zusammen mit diesem hohlköpfigen Arschloch Rogont über mich lachen konntest? Du hast mich wie Dreck behandelt und trotzdem erwartet, dass ich treu zu dir halte, und da nennst du
mich
einen Idioten?« Dagegen war kaum etwas zu sagen, nun, da er ihr es so unter die Nase rieb. Sie hätte auf Rogont hören, hätte zulassen sollen, dass er Espe erledigte, aber sie hatte sich von ihren Schuldgefühlen überwältigen lassen. Erbarmen war vielleicht ein Zeichen von Mut, wie Cosca gesagt hatte, aber offenbar war es nicht immer die beste Idee. Espe bewegte sich wieder auf sie zu, und sie wich zurück, wobei ihr allmählich der Platz dazu ausging.
    »Du hättest das erwarten können«, flüsterte er, und sie dachte bei sich, da ist was dran. Sie hätte schon lange damit rechnen sollen. Seit sie mit Rogont ins Bett gegangen war. Seit sie sich von Espe abgewandt hatte. Seit er sein Auge in den Zellen unter Saliers Palast verloren hatte. Vielleicht aber auch schon seit dem ersten Tag, da sie einander begegnet waren. Vorher vielleicht sogar. Immer.
    Manche Dinge sind eben unvermeidlich.

DER TANZ GEHT WEITER
    Espes Axt fuhr wieder in die Orgelpfeifen. Er wusste nicht, wozu diese Dinger dienten, aber sie machten einen verdammten Höllenlärm. Monza war allerdings schon wieder beiseite gesprungen, wog ihren Degen in der Hand und hielt die zusammengekniffenen Augen auf ihn gerichtet. Höchstwahrscheinlich hätte er ihr einfach eins von hinten mit der Axt

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