Racheklingen
Augen weiteten sich. Es war entsetzlich offensichtlich, was nun geschehen würde. Schon jetzt war das stärkste Gift, das er kannte, auf dem Weg vom Hals zu seinem Hirn, und seine Glieder wurden bereits taub.
»Sie haben den Traubengeist vergiftet, was?«, zischte Cosca.
»Fuh«, gurgelte Morveer, der keine Worte mehr zusammenbrachte.
»Haben Sie vergessen, dass ich versprochen hatte, keinen Tropfen mehr anzurühren?« Der alte Söldner ließ das Messer los, langte mit der blutigen Hand über den Boden und griff nach seinem Flachmann, drehte die Kappe mit geübtem Schwung auf und kippte das Fläschchen um. Eine weiße Flüssigkeit spritzte auf den Boden. »Ziegenmilch. Ich habe gehört, die soll gut für die Verdauung sein. Das ist das Stärkste, was ich zu mir genommen habe, seit wir Sipani verließen, aber es hätte nicht gut ausgesehen, wenn ich damit hausieren gegangen wäre. Schließlich muss ich einen gewissen Ruf verteidigen. Daher all die Flaschen.«
Cosca schob Morveer von sich herunter. Den Giftmischer verließ zusehends die Kraft, und er konnte sich nicht dagegen wehren. Schlaff rutschte er gegen Victus’ Leichnam. Seinen Hals fühlte er nicht mehr. Der Schmerz in seinem Bauch war einem dumpfen Pochen gewichen. Cosca sah auf ihn hinunter.
»Hab ich Ihnen nicht versprochen, ich würde aufhören? Für was für einen Kerl halten Sie mich, dass ich mein Wort brechen würde?«
Morveer bekam nicht genug Luft, um zu sprechen, und schreien konnte er schon gar nicht mehr. Der Schmerz ließ sowieso nach. Er fragte sich, wie er es schon oft getan hatte, wie sein Leben wohl verlaufen wäre, wenn er seine Mutter nicht vergiftet und sich nicht selbst zum Leben im Waisenhaus verurteilt hätte. Seine Sicht umwölkte sich, verschwamm, wurde dunkel.
»Ich muss Ihnen danken. Wissen Sie, Morveer, ein Mensch
kann
sich ändern, wenn er die entsprechende Ermunterung erfährt. Und Ihre Verachtung war genau der Ansporn, den ich brauchte.«
Von seinem eigenen Mittel getötet. Auf ebenjene Weise, auf die so viele seiner Berufskollegen aus dem Leben schieden. Und das noch dazu am Vorabend seines Ruhestands. Er war sicher, dass auch darin irgendwo eine gewisse Ironie verborgen lag …
»Wissen Sie, was an all dem hier das Beste ist?« Coscas Stimme dröhnte in seinen Ohren, Coscas Grinsen verschwamm über ihm. »Jetzt kann ich wieder mit dem Saufen anfangen.«
Einer der Söldner jammerte, faselte, bettelte um sein Leben. Monza lehnte sich gegen die kalte Marmorplatte des Tisches und hörte ihm zu, atmete schwer, wog den Calvez in der Hand. Gegen die schweren Rüstungen von Orsos Leibwache würde er fast gar nichts ausrichten können, wenn sie es überhaupt wagen würde, auf so viele Männer auf einmal loszugehen. Sie hörte das feuchte Schmatzen einer Klinge, die in Fleisch gerammt wurde, und das Gebettel wurde von einem langen Schrei und einem kurzen Gurgeln abgelöst.
Nicht unbedingt ein Geräusch, das einem Mut zusprach.
Sie spähte über die Tischkante hinweg. Sieben Wachmänner zählte sie, die noch am Leben waren. Einer riss gerade einen Speer aus der Brust eines Söldners, zwei wandten sich ihr zu, die schweren Schwerter erhoben, und einer drehte eine Axt aus Seccos gespaltenem Schädel. Drei knieten und spannten ihre Flachbogen. Hinter ihnen stand der große runde Tisch, auf dem immer noch die Landkarte Styriens ausgerollt war. Auf der Karte lag eine Krone, ein Reif aus funkelndem Gold, der mit juwelenbesetzten Eichenblättern verziert war, nicht unähnlich jener, die Rogont das Leben gekostet und seinen Traum von einem vereinten Styrien jäh beendet hatte. Neben der Krone, ganz in Schwarz, das grau melierte schwarze Haar und der Bart so sauber gestutzt wie immer, stand Großherzog Orso.
Er sah sie und sie sah ihn, und der Zorn wallte auf, heiß und beruhigend. Einer seiner Leibwächter ließ einen Bolzen in den Flachbogen gleiten und richtete die Waffe auf sie. Sie wollte sich gerade hinter der Marmorplatte ducken, als Orso einen Arm ausstreckte.
»Wartet! Halt.« Jene Stimme, der sie in acht harten Jahren stets gehorcht hatte. »Sind Sie das, Monzcarro?«
»Verdammt richtig, ja!«, gab sie zischend zurück. »Machen Sie sich bereit, zu sterben, Sie Dreckskerl!« Obwohl es ganz so aussah, als würde sie als Erste gehen.
»Ich bin schon seit einiger Zeit bereit«, erwiderte er sanft. »Dafür haben Sie gesorgt. Gut gemacht! Meine Hoffnungen sind allesamt zerstört, und das verdanke ich Ihnen.«
»Dafür
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