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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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gegen den verbliebenen Kameraden. Sie verbanden sich miteinander, ein Gewirr zerbeulter Rüstung, krachten in ein Regal, und die vergoldeten Bücher zerrissen, lose Blätter ergossen sich in die Luft und flatterten sanft zu Boden, als Schenkt wieder ausatmete und der Zeit ihren Lauf ließ.
    Der trudelnde Flachbogen fiel herab, sprang über die Fliesen und rutschte klappernd in eine Ecke. Großherzog Orso stand dort, wo er zuvor auch gestanden hatte, neben der Landkarte Styriens, mit der schimmernden Krone in der Mitte. Ihm klappte der Mund auf.
    »Ich lasse einen Auftrag nie unvollendet«, sagte Schenkt. »Aber ich habe niemals für Sie gearbeitet.«
     
    Monza kam wieder auf die Beine und starrte auf die verworrenen, verdrehten, verstreuten Körper am Ende des Saales. Papierblätter segelten wie Herbstlaub zur Erde, aus den Trümmern eines Bücherschranks herausquellend, die sich um einen Haufen blutiger Rüstungsteile verstreut hatten, und dahinter breiteten sich Risse auf den Marmorwänden aus.
    Sie kam hinter dem umgekippten Tisch hervor. Ging an den toten Söldnern und Wächtern vorbei. Trat über Seccos Leiche, deren verschmiertes Hirn in einem der langen Streifen Sonnenlicht schimmerte, das durch die hohen Fenster hineinfiel.
    Orso sah schweigend zu, wie sie ihm entgegenging. Das große Gemälde des Sieges in der Schlacht von Etrea ragte zehn Schritt hoch hinter ihm auf. Der kleine Mensch und sein übergroßer Mythos.
    Der Knochendieb trat zurück, die Hände bis zu den Ellenbogen in Blut getaucht, und beobachtete sie. Sie wusste nicht, was er gerade getan hatte, wie oder warum. Es spielte jetzt keine Rolle.
    Ihre Stiefel knirschten auf dem gebrochenen Glas, dem gesplitterten Holz, zerrissenen Papier, den zertrümmerten Töpferwaren. Überall waren schwarze Blutflecken, und ihre Sohlen saugten die Flüssigkeit auf und hinterließen blutige Fußabdrücke. Wie die Blutspur, die sie quer durch Styrien gezogen hatte, bis sie endlich hierhergekommen war. Um an ebendieser Stelle zu stehen, wo man ihren Bruder getötet hatte.
    Sie hielt inne, eine Degenlänge von Orso entfernt. Wartete, sie wusste nicht recht, worauf. Nun, da der Augenblick gekommen war, dieser Augenblick, auf den sie mit jedem Muskel hingearbeitet hatte, für den sie so viel Schmerzen ertragen, Geld ausgegeben, Leben verschwendet hatte, fiel es ihr schwer, sich zu bewegen. Was würde danach kommen?
    Orso hob die Brauen. Mit übertriebener Vorsicht hatte er die Krone vom Tisch genommen, so sorgsam, wie eine Mutter ihr neugeborenes Kind behandeln mochte. »Die hier sollte mir gehören. Sie hat es schon beinahe. Dafür haben Sie gekämpft in den ganzen letzten Jahren. Und dann haben Sie mich am Ende daran gehindert.« Er drehte sie langsam in den Händen, und die Juwelen funkelten. »Wenn man sein Leben auf eine einzige Sache ausrichtet, wenn man nur einen Menschen liebt, nur einen Traum träumt, dann riskiert man, alles auf einen Schlag zu verlieren. Sie haben Ihr Leben um Ihren Bruder herum aufgebaut. Ich das meine rund um eine Krone.« Er stieß einen tiefen Seufzer aus, schürzte die Lippen und warf dann den goldenen Reif beiseite, sah zu, wie er sich auf der Landkarte von Styrien um die eigene Achse drehte und drehte. »Und jetzt sehen Sie sich uns an. Beide gleichermaßen zerstört.«
    »Nicht gleichermaßen.« Sie hob die abgewetzte, schartige, abgenutzte Klinge des Calvez. Die Klinge, die sie für Benna hatte anfertigen lassen. »Ich habe immer noch Sie.«
    »Und wenn Sie mich getötet haben, wofür wollen Sie dann leben?« Sein Blick hob sich von dem Schwert zu ihren Augen empor. »Monza, Monza … was werden Sie nur ohne mich tun?«
    »Mir wird schon was einfallen.«
    Die Spitze drang mit einem leisen Popp durch seine Jacke, glitt mühelos durch seine Brust und am Rücken wieder hinaus. Er stieß ein leises Schnaufen aus, seine Augen weiteten sich, und sie zog die Klinge wieder hervor. Dann standen sie für einen kurzen Moment einander gegenüber.
    »Oh.« Er legte einen Finger auf das dunkle Tuch, und als er ihn wieder löste, war er rot. »Ist das alles?« Er sah sie verwirrt an. »Ich habe … mehr erwartet.«
    Mit einem Mal brach er zusammen, die Knie fielen auf den polierten Fußboden, dann kippte er nach vorn, und sein Gesicht schlug seitlich gegen den Marmorstein neben ihrem Stiefel. Das eine Auge, das sie sehen konnte, drehte sich ihr langsam entgegen, und der eine Mundwinkel verzog sich zu einem Lächeln. Dann lag er still.
    Sieben

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