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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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sicher gern bezeugen, aber natürlich können sie das nicht.«
    Day schüttelte bedauernd den Kopf. »Nicht einer von Ihnen.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«, erkundigte sich Murcatto.
    »Der Beste kostet viel Geld. Mehr, als Sie sich nach dem Verlust Ihres Dienstherrn vielleicht leisten können.«
    »Haben Sie von Somenu Hermon gehört?«
    »Der Name sagt mir etwas.«
    »Mir nicht«, gab Day zu.
    Morveer übernahm die Erklärung selbst. »Hermon war ein mittelloser kantesischer Einwanderer, der, wie es heißt, zum reichsten Kaufmann von Musselia aufstieg. Sein luxuriöser Lebensstil war berüchtigt, seine Freigiebigkeit legendär.«
    »Und?«
    »Leider war er in der Stadt, als die Tausend Klingen im Sold von Großherzog Orso Musselia durch Verrat eroberten. Man hielt die Zahl der Toten gering, aber die Stadt wurde geplündert, und von Hermon hat man nie wieder etwas gehört. Auch nicht von seinem Geld. Allgemein ging man davon aus, dass der Kaufmann, so wie es die Art dieser Leute ist, hinsichtlich seines Reichtums stark übertrieben hatte, und außer seiner grellen und schillernden Ausstaffierung wohl tatsächlich … rein gar nichts besaß.« Morveer nahm einen langsamen Schluck Wein und sah Murcatto über den Rand seines Glases hinweg an. »Aber das wissen andere sicher besser als ich. Die Kommandanten des damaligen Feldzugs waren … wie hießen sie noch gleich? Es waren Bruder und Schwester … wenn ich mich recht erinnere?«
    Sie erwiderte seinen Blick starr und gerade, ohne die Augen abzuwenden. »Hermon war wesentlich reicher, als er vorgab zu sein.«
    »Reicher?« Morveer zappelte auf seinem Stuhl herum. »
Reicher
? Ach du liebe Zeit! Vorteil Murcatto! Sehen Sie doch nur, wie ich mich bei der Erwähnung einer derart unendlichen Summe herrlichen Goldes
winde
! Es würde sicher reichen, um mein mageres Salär zwei Dutzend Mal und mehr zu zahlen, wie ich nicht bezweifle! Nun … meine
überwältigende
Gier hat mich geradezu …« Er hob die offene Hand und schlug sie hart auf den Tisch. »
Gelähmt

    Der Nordmann rutschte langsam zur Seite, fiel von seinem Stuhl und schlug auf den unebenen Rasen unter den Obstbäumen. Dort rollte er gemächlich auf den Rücken, die Knie in demselben Winkel in der Luft, wie er zuvor gesessen hatte, der ganze Körper starr wie ein Holzblock, und seine Augen starrten hilflos nach oben.
    »Ah«, bemerkte Morveer mit einem Blick über den Tisch. »Vorteil Morveer, würde ich sagen.«
    Murcattos Augen glitten zur Seite und dann zurück. Ein kurzes Zucken rann seitlich über ihre Wange. Ihre behandschuhte Hand erbebte leicht auf dem Tisch, dann lag sie still.
    »Es hat funktioniert«, raunte Day.
    »Du hast doch wohl nicht an mir gezweifelt?« Morveer, der nichts so sehr liebte wie ein aufmerksames Publikum, konnte sich nicht verkneifen zu erklären, wie er es angestellt hatte. »Gelbsaatöl wurde zunächst auf meine Hände aufgetragen.« Er hielt sie in die Höhe, die Finger auseinandergespreizt. »Um zu verhindern, dass das Mittel mich selbst angreift, wohlverstanden. Ich wollte schließlich nicht plötzlich selbst gelähmt sein. Das wäre eine
ausgesprochen
unangenehme Erfahrung gewesen!« Er kicherte vor sich hin, und Day stimmte in etwas höherer Tonlage mit ein, während sie sich, ein zweites Stück Kuchen zwischen den Zähnen, hinunterbeugte, um den Puls des Nordmanns zu fühlen. »Bei dem aktiven Ingrediens handelte es sich um ein Destillat aus Spinnengift. Ausgesprochen effektiv, selbst bei bloßer Berührung. Da ich seine Hand etwas länger festhielt, hat Ihr Freund eine etwas stärkere Dosis abbekommen. Er kann von Glück sagen, wenn er sich heute noch bewegen kann … wenn ich mich dazu entscheide, ihm das wieder zu ermöglichen, natürlich. Sie jedoch sollten noch des Sprechens mächtig sein.«
    »Arschloch«, knurrte Murcatto durch gefrorene Lippen.
    »Ich sehe, so ist es.« Er erhob sich, ging um den Tisch herum und drängte sich neben sie. »Ich muss mich wirklich entschuldigen, aber Sie verstehen sicherlich, dass ich, wie Sie es auch waren, auf dem gefährlichen
Zenit
meines beruflichen Werdegangs angelangt bin. Wir Menschen mit besonderen Fähigkeiten und Leistungen müssen außerordentliche Vorsichtsmaßnahmen treffen. Nun können wir uns unbehindert von Ihrer Bewegungsfähigkeit mit aller Hingabe über das Thema … Großherzog Orso unterhalten.« Er ließ den Wein durch den Mund strömen und sah einem kleinen Vogel zu, der auf den Ästen herumturnte.

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