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Rachekuss

Rachekuss

Titel: Rachekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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Tierblut, abgeschnittene Haare, Fetischobjekte wie deine Unterhose – dämmert es nicht?« Flora runzelte irritiert die Stirn.
    »Hier gibt’s doch keinen Voodoo-Zauber oder so was.«
    »Nee, aber was ganz Ähnliches: Satanistenkult.«
    Flora ließ klirrend den Kaffeelöffel gegen ihre Tasse schlagen.
    »Du meinst – Leonie? Never! Nunca!«
    »Wieso nicht? Die ist schon ziemlich merkwürdig, hast du selbst gesagt. Du hast behauptet, die hätte so etwas unterschwellig Aggressives. Und ich finde, du hast total recht damit.«
    »Na ja, aber… so was? Ich kann mir das nicht vorstellen. Da muss man schon echt krank sein, um jemanden das anzutun.« Flora biss nun doch in ihr Brötchen und spürte, wie gut es ihr tat. »Obwohl – hab ich dir gesagt, dass die in der Nähe des Hauses war, als die Maus gegen die Terrassentür geflogen ist?«
    Carina breitete die Hände aus und nickte triumphierend mit dem Kopf. »Da! Bitte!«
    »Aber, Mann, wir können doch nicht zu der hingehen und sagen, hey, du hast mich entführt, komm doch bitte zur Polizei mit, damit wir dich anzeigen können.«
    »Nee, natürlich nicht, Flora. Ist schon klar. Aber wir könnten ein Auge auf sie haben. Die hat auch total merkwürdige Freunde, bei denen weiß man echt nicht, was die so machen in ihrer Freizeit. Die sind auch alle gar nicht an unserer Schule, die sind eher schon in der Ausbildung. Einer von denen arbeitet bei meinem Onkel im Bauunternehmen. Lernt irgendwie Baugeräteführer oder so was.«
    Flora bedachte Carina mit einem skeptischen Blick. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Oder denken. Oder sagen. Warum konnte sie nicht einfach hier sitzen, auf diesem Stuhl, in den Garten starren und abwarten, bis ein Funken vom Himmel herunterfiele und alles auslöschte, was ihr in den letzten Wochen widerfahren war, und sie neu justierte und bereit machte für ein neues, schönes Leben.
    »Komm«, sagte Carina. »Ein bisschen Frischluft würde dir sicher guttun.«
    »Lass mich einfach hier sitzen. Bitte«, flüsterte Flora und sah nur noch die nackten Äste, die zu den Bäumen da draußen gehörten und die sie nicht aus den Augen lassen durfte, sonst würde wieder Schreckliches geschehen.

10. Kapitel
    Auszug aus dem psychiatrischen Gutachten, Prof. Dr. W. Metzler vom 02.12. d. J.:
    »…Die Patientin berichtet, dass sie immer wieder von intensiver Langeweile bzw. einem Gefühl der vollkommenen Leere überrollt würde. Diese Gefühle der Leere kontrastierten stark die sonst oft nicht zu kontrollierenden und einzuordnenden Emotionen. Die Patientin berichtet, dass sie die Phasen der Leere oftmals als Entlastung empfände, zumal sie in diesen Zeiten nicht so sehr von den sonst häufigen Schlafstörungen gequält werde…«
    Nachdem sich Carina am Donnerstagnachmittag verabschiedet hatte, weil sie ihrer Mutter helfen musste, alles, was an Udo erinnerte, aus der Wohnung zu schaffen, blieb Flora allein zu Hause. Sie schaltete ihr Handy ab, telefonierte vom Festnetz aus kurz mit ihren Eltern, die am Samstag zurückkommen würden, und behauptete einigermaßen überzeugend, alles sei okay. Dann stöpselte sie auch das Telefon aus und legte sich in ihr Bett. Sie wartete darauf, dass Trauer oder Wut oder irgendein starkes Gefühl sie durchfluten würde, aber da war gar nichts. Sie sah an die Decke und dachte – nichts. Sie wusste gar nicht, wo sie selbst war. Jemand lag auf ihrem Bett, sie sah sich wie von außen, aber sie konnte sich selbst nicht ansprechen. Irgendwie geriet sie in einen Strudel aus Schlaf und Träumen, in denen sie lief und lief und nicht stehen bleiben konnte, und dann wachte sie wieder auf, weil sie fror, und sie meinte, jemand schleiche durch das Haus, aber es war ihr egal. Sie selbst wäre hier sowieso nicht mehr zu finden. Sie hatte sich verlaufen in der Welt dort draußen und sie wusste weder, wie sie zurückkehren konnte, noch, wohin sie überhaupt hätte zurückkehren sollen. Vielleicht bin ich einfach verrückt, dachte Flora. Vielleicht ist alles nur in meinem Kopf passiert. Aber dann war auch dieser Gedanke zu anstrengend und so einfach wie eine Glühbirne knipste sie ihn aus. Und beobachtete, wie die Dämmerung in ihr Zimmer kroch und alles bläulich schimmerte, und sie spürte so etwas wie Zufriedenheit, dass sie niemand störte bei diesem Nicht-Existieren.
    Am Freitag dagegen lief sie die längste Zeit des Tages unruhig durch die Wohnung. Sie ging wieder und immer wieder unter die Dusche, sie begann, etwas zu essen, und

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