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Rachekuss

Rachekuss

Titel: Rachekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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besucht. Ich musste dringend mit jemandem reden, wie es mit meiner Mutter weitergehen soll. Vielleicht hast du sie gesehen? Das geht so nicht mehr. Wir müssen sie dringend einweisen lassen.«
    Flora nickte verständnisvoll. »Allerdings, den Eindruck habe ich auch.« Sie konnte ihrer Freundin nicht sagen, wie fies die Mutter über sie hergezogen hatte.
    »Mein Onkel war so lieb und hat mich nach Hause gefahren.«
    »Ihm gehört der Transporter?«
    »Ja, ich hab dir doch erzählt, dass er ein Bauunternehmen hat. Ist quasi sein Dienstwagen.« Sie betrachtete Flora forschend. »Hey, du glaubst doch nicht etwa, dass das der Transporter ist, mit dem du…«
    »Nein«, unterbrach Flora sie. »Nein, klar. Natürlich nicht. Aber ich krieg einfach jedes Mal einen Schreck, wenn ich so ein Auto sehe. Ich kann da gar nichts machen.«
    Carina schaukelte von einem Bein aufs andere. »Kann ich gut verstehen. Aber ich hab dir doch gesagt, die Dinger gibt’s wie Sand am Meer. Allein mein Onkel hat fünf Stück davon. So, und ich muss jetzt heim. Ich frier hier sonst fest. Außerdem hab ich schon wieder Kopfschmerzen. Wir sehen uns morgen, hoffe ich. Kommst du in die Schule?«
    »Ist wahrscheinlich besser«, überlegte Flora. »Darf ich dich noch was fragen? Aber du darfst nicht sauer sein!« Carina nickte, schon halb zum Gehen gewandt.
    »Hast du bei der Polizei angerufen – anonym?«
    »Ich? Quatsch! Wie kommste denn darauf?« Empört zog sie die Augenbrauen zusammen.
    »Ach, ich dachte nur… vergiss es.«
    »Na, danke, dass du mich jetzt auch schon verdächtigst!«
    »Hey, Blödsinn! Ich verdächtige dich doch nicht. Könnte ja auch sein, dass…«
    »Was?«
    »Keine Ahnung. Vergiss es. Bis morgen!«
    Carina sah nicht so aus, als wolle sie das übliche Abschiedsküsschen auf die Wange, sie drehte sich um und ging mit wütenden Schritten Richtung Hochhaus. Flora rief ihr nach: »Wir sehen uns morgen! Boa noite.«
    Flora lief schnell, nicht nur wegen der Kälte. Etwas Klammes hatte von ihr Besitz ergriffen, ein Gefühl, ein Gedanke, den sie nicht denken wollte. Wieso war sie nun schon so weit, ihre einzige Freundin zu verdächtigen? Wie kam sie darauf? Wieso hatte sie Carina überhaupt gefragt? Vielleicht war sie doch verrückt. Sie schämte sich, spürte, wie das Blut unter ihren Wangen pulsierte. Immer und immer wieder musste sie sich eingestehen, wie schändlich sie sich verhielt. Carina, die immer für sie da war, die immer die eigenen Probleme zurücksteckte, um für sie da zu sein, ihr zu helfen. Die von der eigenen Mutter verleumdet wurde, einer Alkoholikerin noch dazu. Flora konnte sich nicht vorstellen, wie es wäre, unter solchen Bedingungen zu leben. Sie bewunderte Carina, die trotz alldem so lebensfroh wirkte, so großzügig und hilfsbereit war. Und dann kam Flora und verdächtigte sie. Das Wort wurde groß in ihrem Mund und sie hätte am liebsten ausgespuckt. Ich muss mich entschuldigen, gleich morgen, unbedingt, überlegte Flora und lief bis zu ihrem Haus, wo sie nur schnell ihr altes Fahrrad schnappte, das neue wie von Anfang an konsequent ignorierte und es tunlichst vermied, auf das beschmierte Garagentor zu schauen.
    Sie konnte da jetzt nicht rein. Sie musste sich ablenken lassen. Von allem. Sie wollte das Leben spüren. Das richtige, gute Leben.
    Sie radelte schnell, ihr Körper wusste, wohin er wollte, noch ehe ihr Gehirn diesen Gedanken formuliert hatte. Keine Viertelstunde später stand sie am Ende der Harfenstraße. Sie konnte das dunkle Gebüsch der Schwabachanlage erkennen, wandte sich schnell ab und versuchte zu erahnen, welches der Zimmer wohl Yanniks wäre und ob dort noch Licht brannte. Sie war noch nie hier gewesen, es war ihr immer vorgekommen, als entscheide sie sich endgültig für diesen goldblonden Jungen, sobald sie sein Revier beträte. Als gäbe es dann kein Zurück mehr.
    Während sie in die Pedale getreten hatte, so schnell es ging, war ihr Bedürfnis, zu jemandem zu gehören, immer größer geworden, mit jeder Umdrehung des Zahnrades. Jemand, der nicht Familie war. Jemand, den sie selbst erwählt hatte. Es wäre so normal, einen Freund zu haben, eine beste Freundin. Niemandem zu misstrauen, zu tun, als sei alles ganz in Ordnung. So wie es früher gewesen war. Mit rastlosem Blick suchte sie seinen Namen an den Klingelschildern des schmutzig weißen Hauses ab, dessen massive Quaderform die zierlichen, geduckten alten Häuser daneben beinahe zu erdrücken schien.
    »Fähnlein« – da stand

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