Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
und bereit waren, von ihren Vorräten etwas abzugeben.
Obwohl wir keine Einladung hatten, ließ man uns ein, weil Brigit dem Türsteher anbot, dass er nicht mit ihr zu schlafen brauchte.
Sie drückte das so aus: »Meine Freundin und ich haben keine Einladung, aber wenn Sie uns reinlassen, brauchen Sie mit keiner von uns zu schlafen.«
Und wie vorhergesagt, hatten wir von da ab seine ganze Aufmerksamkeit.
»Bei ihrer Arbeit«, sagte Brigit zur Erklärung, »muss es doch Hunderte von phantastisch aussehenden Frauen geben, die sagen: ›Wenn Sie mich reinlassen, lasse ich Sie auch rein.‹ Sie verstehen schon, was ich meine.« Sie zwinkerte ihm unter Einsatz ihres ganzen Körpers zu, falls er sie nicht verstanden hatte.
»Sie müssen das Spielchen doch gründlich satt haben«, stellte sie fest.
Der Türsteher, ein junger, nicht unattraktiver Italiener, nickte benommen.
»Meine Freundin hier und ich«, fuhr Brigit fort, »wir haben den großen Vorteil, dass wir nicht phantastisch aussehen, und den wollten wir für uns nutzen. Lassen Sie uns herein?«
»Ja, sicher«, stammelte er und begriff überhaupt nichts.
»Warten Sie«, rief er uns nach. »Die brauchen Sie.« Und er drückte uns zwei Einladungen in die Hand, als wir gerade zum Aufzug sprinten wollten.
Als wir oben ankamen, mussten wir die zweite Staffel Türsteher passieren, aber jetzt hatten wir ja die Einladungen.
Und dann stürzten wir uns hinein. Wir versuchten, nicht zu zeigen, wie beeindruckt wir waren. Was für ein wunderschöner Jugendstilraum! Was für ein atemberaubender Blick! Welche Unmengen von Getränken!
Wenige Sekunden nachdem wir uns lachend und durch unseren Erfolg übermütig gemacht umgeschaut hatten, blieb Brigit wie angenagelt stehen und packte mich am Arm.
»Da hinten«, zischte sie, »die Männer aus der Zeitmaschine.«
Ich folgte ihrem Blick, und da waren sie, mit lockigen Mähnen und roten Levi’s-Schildchen: Gaz, Joey, Johnno, Shake und Luke. Und wie immer hatten sie als Beigabe zwei blonde Mädchen dabei, die mit ihren dünnen Beinen aussahen, als wären sie rachitisch.
»Was machen denn die Echten Männer hier?«, wollte ich wissen. Plötzlich war unser Sieg über den Türsteher bedeutungslos geworden, das gute Gefühl war verflogen. Anscheinend ließen sie auch die letzten Trottel rein.
Mit konzentrierter Miene verteilte Luke die Getränke. »Joey, Mann, J. D. pur, hier, für dich.«
»Danke, Luke, Mann.«
»Johnno, Mann, J. D. on the Rocks, das ist deiner.«
»Besten Dank, Luke, Mann.«
»Gaz, wo haben wir dich denn, Mann? Ach ja, hier, Tequila, mit Salz und Zitrone.«
»Super, Luke, Mann.«
»Melinda, Babe, roten Champagner gab’s nicht, aber sie haben dir normalen gegeben und einen Schuss Cassis reingemacht. Netter Typ, der Barkeeper.«
»Danke, Luke.«
»Tamara, Babe, J. D. pur, tut mir leid, Babe, keine Papierschirmchen.«
»Danke, Luke.«
Habe ich das Bild deutlich genug gezeichnet? Richtig, sie nannten sich wirklich gegenseitig »Mann« und die Frauen »Babe«, sie tranken wirklich fast ununterbrochen Jack Daniels, und selbstverständlich kürzten sie es zu J. D. ab. Ich will nicht behaupten, dass die Jungs sich gegenseitig anstachelten, wenn sie zusammen waren, aber manchmal sah es ganz so aus.
»Wer trägt die Gemeinschaftshose heute?« fragte Brigit. Und damit waren die nächsten fünf Minuten gelaufen, weil wir uns lachend in den Armen lagen und uns die Tränen die Wangen herunterliefen.
Schließlich sah ich zu ihnen hinüber.
»Luke hat sie an«, sagte ich, offenbar lauter, als ich beabsichtigt hatte, weil er zu uns rüberguckte. Er betrachtete uns, und dann – wir konnten es kaum glauben – zwinkerte er uns zu. Brigit und ich starrten uns einen Moment lang an, dann brachen wir wieder in schallendes Gelächter aus. »Wie er aussieht«, flüsterte ich, vom Lachen heiser geworden.
»Wofür hält er sich eigentlich?« platzte Brigit heraus.
Dann löste sich Luke zu meinem Entsetzen aus seiner Gruppe und schlenderte mit der für ihn typischen lässigen Unbekümmertheit in unsere Richtung.
»Mein Gott«, prustete ich, »er kommt zu uns.«
Bevor Brigit etwas sagen konnte, stand Luke vor uns. Er lächelte uns freundlich an wie ein zutrauliches Hundejunges.
»Du bist Rachel, richtig?«
Ich nickte, denn hätte ich den Mund aufgemacht, hätte ich ihm glatt ins Gesicht gelacht. Mir fiel vage auf, dass ich den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm ins Gesicht zu sehen. In mir prickelte
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