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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Wie schon gesagt, ich hielt sie nicht gerade für besonders helle.
    »Arme Tamara«, fuhr ich fort, »ihr Sexualleben muss schrecklich sein.«
    Alle wollten wissen, warum. Das war ja nur fair, wenn man bedenkt, dass mindestens drei von den Männern für Tamaras Vergnügen in horizontaler Lage verantwortlich waren.
    »Weil sie nie kommt«, erklärte ich.
    Luke, Shake, Joey und Johnno lachten, bis ihnen die Luft wegblieb. Gaz blickte verwirrt um sich und fragte kläglich: »Was meint sie damit?«, worauf Luke, der sich vor Lachen bog, es ihm erklärte.
    Dann war es an der Zeit, sich von den Echten Männern zu verabschieden. Es war ein durchaus angenehmes Zwischenspiel gewesen, aber Brigit und ich hatten Wichtigeres vor. In dem Raum standen zu viele männliche Wesen mit markanter Kinnpartie, als dass wir es uns leisten konnten, unsere Zeit mit diesen haarigen Typen, so nett sie auch waren, zu verplempern.
    Doch als ich mich gerade fortstehlen wollte, sagte Luke zu mir: »Mit neun hätte ich mich nicht getraut, als Johnny Rotten zu gehen. Eher hätte ich mich als Mutter Teresa verkleidet.«
    »Warum?«, fragte ich höflich.
    »Damals war ich Ministrant und wollte Priester werden.«
    Seine Worte lösten in mir eine Erinnerung an meine Kindheit aus.
    »Das ist ja witzig. Als ich neun war, wollte ich Nonne werden«, platzte ich heraus, bevor ich mich besinnen konnte.
    Im nächsten Moment bereute ich es. Ich war ja keineswegs stolz darauf. Im Gegenteil, ich hütete es als mein Geheimnis und wünschte mir, ich könnte es auslöschen.
    »Ist das wahr?« Luke lächelte belustigt. »Ist das nicht ein komischer Zufall? Ich dachte, nur mir wäre es so gegangen.«
    Da er ganz entspannt war, als müsste man sich deswegen nicht schämen, beruhigte ich mich ein wenig.
    »Das dachte ich auch.«
    Er lächelte wieder und zog mich dadurch in einen intimen Kreis der Gemeinsamkeiten. Ich spürte, wie sich eine zarte Blüte des Interesses in mir entfaltete, und beschloss, noch nicht gleich zu gehen.
    »Wie weit bist du gegangen?«, fragte er. »Ich glaube kaum, dass du schlimmer warst als ich. Kannst du dir das vorstellen: Ich war tatsächlich traurig darüber, dass die Katholiken nicht mehr verfolgt wurden, weil ich unbedingt als Märtyrer sterben wollte. Ich stellte mir vor, dass man mich in Öl braten würde.«
    »Ich habe Bilder von mir gemalt, auf denen ich mit Pfeilen gespickt war«, gestand ich und war erstaunt, wie verrückt mein Verhalten gewesen war, während es mir doch damals unheimlich wichtig und ernst war.
    »Das war noch nicht alles«, sagte Luke, und in seinen Augen blitzte es bei der Erinnerung. »Ich habe mich selbst kasteit, mir Sachen zu eng umgebunden und so. Fast so was wie Sadomaso für Kinder, wenn du weißt, was ich meine.« Er zog fragend die Augenbrauen hoch, und ich lächelte ermutigend.
    »Und dann konnte ich in der Garage kein Seil finden, also musste ich die Kordel vom Morgenrock meiner Mutter nehmen und sie mir um die Taille binden. Ein, zwei Tage habe ich tapfer bei läuternden Schmerzen ausgehalten, bis mein Bruder herausfand, was ich trieb, und mich beschuldigte, ein Transvestit zu sein.«
    Ich merkte, wie ich näher an Luke heranrückte, weil ich mehr darüber wissen wollte, wie andere mit gehässigen älteren Geschwistern klargekommen waren.
    »Wirklich?«, fragte ich. »Und wie ging es weiter?«
    »Eigentlich gab es ja nur eine Reaktion darauf«, sagte er nachdenklich.
    »Was denn? Für ihn zu beten?«, fragte ich.
    »Nein! Ich hätte ihm eine knallen sollen.«
    Überrascht fing ich an zu lachen.
    »Stattdessen habe ich ihm mit großartiger Ergebenheit die andere Wange hingehalten und gesagt, ich würde ein Ave Maria für ihn beten. Die Freuden einer katholischen Kindheit!«
    Ich lachte hemmungslos.
    »War ich nicht ein widerlicher kleiner Kerl, Rachel?« Mit einem charmanten, entwaffnenden Lächeln forderte er mich auf, ihm zuzustimmen.
    Ich mochte die Art, wie er meinen Namen sagte. Und ich beschloss, noch ein bisschen zu warten, bevor ich die Runde machte. Diskret hatte ich mich in eine Ecke manövriert, und da Luke vor mir stand, konnte mich niemand, der möglicherweise von Bedeutung war, sehen.
    »Warum, meinst du, waren wir so?«, fragte ich verlegen. »Warum wollten wir etwas Besonderes sein? War es vielleicht der Beginn der Pubertät? Außer Rand und Band geratene Hormone?«
    »Vielleicht«, gab er zurück, während ich die Antwort in seinem Gesicht suchte. »Aber vielleicht waren wir ein

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