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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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habe.
    Ich folgte ihr, ich folgte ihr in jedem Detail.
    »... bis sich schließlich mein ganzes Leben nur noch um Heroin drehte«, erklärte sie. »Ich musste versuchen, an das Geld zu kommen, um Stoff zu kaufen, ich musste ihn beschaffen und kreiste in Gedanken immer um die nächste Gelegenheit, wann ich mich zudröhnen könnte. Ich versteckte es vor meinem Freund und log ihn an, wenn ich zu war. Das Leben war unglaublich anstrengend, aber meine Sucht spielte ein so große Rolle darin, dass ich es ganz normal fand, in diesem angespannten Zustand zu leben ...«
    Der ernste Ausdruck in ihrem Gesicht, die faszinierende Aufrichtigkeit ihrer Worte machten deutlich, wie schrecklich dieser Kreislauf war und dass es die Hölle gewesen sein musste, einer Macht außerhalb von sich selbst ausgeliefert zu sein. Aus heiterem Himmel traf mich der erste kleine Schock, weil mir plötzlich der Gedanke durch den Kopf schoss: Ich war auch so.
    Mein Verstand schaltete auf Leugnen um, und ich lehnte mich zurück. Aber die Worte erreichten mich dennoch und rüttelten mich auf: Ich war auch so.
    Ich zwang mich zur Ruhe und sagte mir eindringlich, dass ich keineswegs so gewesen war.
    Doch eine noch lautere Stimme beharrte darauf, dass ich sehr wohl so gewesen war. Und meine Verteidigungsmechanismen, die nach einem guten Monat des pausenlosen Beschusses geschwächt waren und von Nolas Geschichte in einem falschen Gefühl der Sicherheit gewiegt wurden, fingen an zu bröckeln.
    Ich war erschrocken, als ich ein paar sehr unangenehmen Wahrheiten ins Auge blicken musste. Von einem Moment zum nächsten war es nicht mehr möglich, der Einsicht zu entgehen, dass ich andauernd an Kokain, Valium, Speed und Schlaftabletten gedacht hatte und daran, wie ich an das Geld dafür kommen konnte; dass ich Wayne oder Digby ausfindig machen musste, um das zu kaufen, was ich mir leisten konnte; dass ich eine Gelegenheit abpassen musste, um die Drogen zu nehmen. Ich musste ständig die Ware vor Brigit verstecken, musste sie vor Luke verstecken, musste bei der Arbeit so tun, als sei ich nicht zugedröhnt, musste versuchen, meine Arbeit zu machen, obwohl ich zu war.
    Entsetzt erinnerte ich mich an das, was Luke auf dem Fragebogen geschrieben hatte. Wie hatte er es formuliert? »Wenn etwas eine Droge ist, dann hat Rachel es sicherlich genommen. Wahrscheinlich hat sie Drogen genommen, die noch gar nicht erfunden worden sind.« Wut kam in mir auf, wie jedes Mal, wenn ich an das dachte, was er mir angetan hatte. Ich wollte, dass kein einziges Wort von dem, was er gesagt hatte, stimmte.
    Ich war wütend, mir war schlecht, ich hatte Angst. Panik geradezu. Und als Nola sagte: »Ist alles in Ordnung, Rachel? Du siehst ein bisschen ...«, war es eine Erleichterung, sagen zu können: »Ich war auch so, habe immer dran gedacht ... Ich bin nicht glücklich«, und es klang ziemlich hysterisch. »Ich bin überhaupt nicht glücklich darüber. Ich will so nicht sein.«
    Ich spürte die Blicke der anderen auf mir und wünschte mir, sie wären woanders. Besonders Chris. Ich wollte nicht, dass er Zeuge meiner Schwäche wurde, aber ich hatte zu viel Angst und konnte sie nicht verstecken. Flehentlich sah ich Nola an, verzweifelt wünschte ich mir, dass sie sagen würde, alles würde sich regeln.
    Um fair zu sein, sie hat es versucht.
    »Sieh mich jetzt an«, sagte sie mit einem sanften Lächeln. »Ich denke nie an Drogen. Davon bin ich frei. Und sieh dich an«, fuhr sie fort. »Du bist jetzt – wie lange? – vier Wochen hier. Und in dieser ganzen Zeit hast du keine Drogen gebraucht.«
    Das stimmte. Und einen Großteil der Zeit hatte ich auch gar nicht an Drogen gedacht. Manchmal schon, aber nicht die ganze Zeit, nicht so wie vor fünf Wochen.
    Bei dem Gedanken bekam ich eine kleine Ahnung von der Freiheit, von einem anderen Leben, bevor sich wieder Angst und Verwirrung einstellten.
    Als Nola ging, riss sie eine Seite aus ihrem Taschenkalender und schrieb etwas darauf. »Meine Telefonnummer«, sagte sie und gab mir das Blatt. »Wenn du rauskommst, ruf mich doch mal an. Wenn du Lust hast zu reden, jederzeit.«
    Ganz benommen schrieb ich ihr der Höflichkeit halber meine Nummer auf. Dann schleppte ich mich zum Speisesaal, wo Eddie den Inhalt einer Tüte Weingummi auf dem Tisch ausgebreitet hatte. »Ich wusste es«, rief er aus, sodass ich zusammenzuckte. »Ich wusste es doch.«
    »Was hast du gewusst?«, fragte jemand. Ich hörte nur mit halbem Ohr hin. Luke soll nicht recht

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