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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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erfahren.
    »Du hast schöne lange Haare«, sagte ein Mann in einer – nein, das war nicht möglich! – in einer Schlafanzugjacke, doch, es war eindeutig eine Schlafanzugjacke. Und einer senffarbenen Strickjacke darüber. Er war fast kahl, hatte sich aber ein paar Strähnen von einem Ohr zum anderen quer über den Schädel gekämmt. Es sah aus, als hätte er sie mit Sekundenkleber festgekleistert. Er lächelte mir verklemmt zu und rückte ein bisschen näher an mich heran.
    »Ist das Schwarz echt?«
    »Ehm, ja«, sagte ich und versuchte mein Unbehagen zu verbergen, als er meine Haare zu streicheln anfing.
    »Hahaha«, hörte man Peter, den Komiker, weiter oben am Tisch. »Als du zur Welt kamst, war es bestimmt nicht schwarz. HAHAhahah!«
    Ich war zu sehr damit beschäftigt, mich nicht zu bewegen und zu hoffen, dass der Haarestreichler aufhören würde, als dass ich Anstoß an Peters Bemerkung nehmen konnte. Ich rückte so weit von ihm ab wie möglich, aber er hörte nicht auf zu streicheln. Dann schien Mike, der eine Zigarette rauchte und mürrisch in die Ferne blickte, zu sich zu kommen, denn er sagte: »Nimm die Pfoten weg, Clarence! Lass das Mädel in Ruhe!«
    Ungern ließ Clarence von mir ab.
    »Er meint es nicht böse«, erklärte Mike, als ich, ungefähr zum fünfzehnten Mal an diesem Tag, mit den Tränen kämpfte.
    »Sag ihm einfach, er soll sich verpissen.«
    »Natürlich meine ich es nicht böse«, begehrte Clarence mit verletzter Miene auf. »Sie hat so schöne Haare. Was ist denn schon dabei? – Was ist denn schon dabei?«, wiederholte er und kam mit seinem Gesicht ganz nah an meines heran.
    »Nichts ...«, konnte ich nur entsetzt herausbringen.
    »In welcher Gruppe bist du?«, fragte ein Mann mit dem rötesten Gesicht, das ich je gesehen hatte, und wechselte plump das Thema.
    »Was sind das denn für Gruppen?«, fragte ich, als Clarence endlich von mir abrückte, und ich wieder frei atmen konnte.
    »Es ist dir vielleicht schon aufgefallen, dass hier ziemlich viel Gruppentherapie gemacht wird«, erklärte Mike, worauf alle lachten. Warum, weiß ich nicht, aber ich lächelte auch, damit sie nicht dachten, ich wäre eine eingebildete Ziege. »Und wir sind in Gruppen von jeweils sechs oder sieben Personen aufgeteilt. Es gibt drei Gruppen: die von Josephine, die von Sauerkraut und die von Barry Grant.«
    »Sauerkraut?«, fragte ich verständnislos.
    »Eigentlich heißt sie Heidi«, sagte der Rotgesichtige.
    »Helga«, verbesserte Peter.
    »Helga, Heidi, was macht das schon«, sagte der Rotgesichtige. »Jedenfalls können wir sie nicht ausstehen. Außerdem ist sie Deutsche.«
    »Warum könnt ihr sie nicht ausstehen?« Das rief wieder lautes Gelächter hervor.
    »Weil sie unsere Therapeutin ist«, erklärte jemand. »Mach dir keine Sorgen, du wirst deine auch nicht leiden können.«
    Vielleicht aber doch, wollte ich sagen, ließ es aber besser.
    »Und Barry Grant?«, fragte ich.
    »Sie ist aus Liverpool.«
    »Ach so. Ich bin bei Josephine in der Gruppe.« Ich war enttäuscht, dass ich nicht eine von denen mit den komischen Namen hatte.
    Sofort tönte es mir entgegen: »Nicht bei Schwester Josephine!« und: »Ach du liebes bisschen!« und: »Da hat man nichts zu lachen!« und: »Sie kann einen ausgewachsenen Mann zum Heulen bringen.«
    Die letzte Bemerkung löste einen Streit zwischen – wenn ich die Namen richtig im Kopf hatte, und vielleicht irrte ich mich, denn die Männer in dem Raum verschmolzen vor meinem geistigen Auge zu einem – Vincent und Clarence, dem Haarestreichler.
    »Ich habe nicht geheult«, beharrte Clarence. »Ich war erkältet.«
    »Und ob du geheult hast«, beharrte seinerseits Vincent, der ziemlich streitsüchtig zu sein schien.
    Ich würde mich mit niemandem auf einen Streit einlassen, dachte ich. Ich würde meine zwei Monate absitzen und wieder gehen. Rein, raus. Würde mich mit keinem anfreunden. (Es sei denn, sie waren reich und berühmt, natürlich.) Und mich mit keinem anlegen.
    Der Streit wurde unterbrochen, weil jemand sagte: »Hier kommt Misty.«
    Alle Männer rutschten verlegen hin und her. Misty, so nahm ich an, war das hübsche Mädchen, das erhobenen Hauptes lässig durch den Raum geschritten kam. Obwohl sie schlichte Jeans und einen grünen Pullover trug, sah sie umwerfend aus. Daneben kam ich mir richtig aufgedonnert vor. Sie hatte lange rote Haare, so lang, dass sie darauf sitzen konnte. Wenn sie das wollte. Und sie war dünn und zart und hatte das Gebaren vornehmer

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