Rachel
zu gehen.«
»Eine kluge Entscheidung«, bemerkte Rachel. Als sie aufschaute, sah sie einen Mann, der mit einem breiten Lächeln auf sie zukam. Er trug natürlich Arbeitskleidung, war etwa dreißig Jahre alt, hatte leuchtende haselnuss-braune Augen und dichtes, hellbraunes Haar, das von der Sonne leicht gebleicht war - ein Zeichen dafür, dass er oft ohne Hut im Freien arbeitete.
»Tag«, sagte er. »Ich bin Landry Kildare. Diese beiden Frechdachse, Sie haben sie ja wohl schon kennen gelernt, sind meine Söhne Jamie und Marcus ...«
»Einfach nur Marcus«, unterbrach der Junge seinen Vater schnell.
Rachel bemerkte, dass Mr. Kildare, der so schön lächeln konnte, noch eine Spur mehr lächelte. »Dann eben ab sofort einfach nur Marcus«, meinte er zustimmend.
»Rachel English«, stellte sie sich vor. »Ich hoffe, ich störe nicht. Ich bin auch nur vorbeigekommen, um mich persönlich vorzustellen und um Ihnen mitzuteilen, dass der Unterricht am letzten Montag im August beginnt.«
»Es wäre mir eine Ehre, wenn Sie ins Haus kommen würden, um eine Tasse Kaffee zu trinken, Miss English«, sagte Mr. Kildare in seiner freundlichen Art. Rachel fragte sich, wo der Mann wohl ursprünglich herkam, denn sie konnte nicht die geringste Spur eines Akzentes aus seiner Stimme heraushören. »Hier draußen haben wir nur selten Besuch. Ich hoffe nur, dass diese beiden kleinen Racker Sie nicht allzu sehr erschreckt haben. Sie haben nämlich die schlechte Angewohnheit, sich als Indianer oder afrikanische Kannibalen zu verkleiden und sich wie Affen von den Bäumen fallen zu lassen, wenn sich jemand dem Haus nähert. Einen Hausierer, den armen alten Calvin T. Mur-doch, haben sie so eingeschüchtert, dass der vor Schreck in den Fluss gestürzt ist.«
Rachel führte die Mähre am Zügel und ging neben
Landry Kildare auf das Haus zu. Sie wunderte sich, dass in dieser abgelegenen Wildnis so ein attraktiver sympathischer Mann unverheiratet blieb. June hatte Rachel nur wenig von ihm erzählt, eigentlich nur, dass er zu allen Menschen freundlich war, aber meistens für sich allein blieb, aber sie hatte auch angedeutet, dass er wohl irgendwo eine Freundin hatte.
Das Innere des Hauses war erstaunlich sauber und aufgeräumt, wenn man bedachte, dass dies ein Drei-Männer-Haushalt war. Die Planken des Holzfußbodens waren nicht nur gewischt, sondern sogar poliert. Vor dem Kamin lag ein farbenfroher, wenn auch schon abgewetzter Patchwork-Teppich. Mehrere geschlossene Türen führten wahrscheinlich in die Schlafzimmer. Der Herd und das Drumherum waren so sauber, dass dieser Teil wohl ständig mit Seifenlauge und einer kräftigen Bürste geschrubbt wurde.
»Bitte setzen Sie sich doch«, sagte Landry und deutete auf einen stabilen Schaukelstuhl vor dem Kamin. Neben dem Stuhl stand eine umgedrehte Holzkiste, auf der ein offenes Buch - soweit Rachel das erkennen konnte, hatte es etwas mit Pferdezucht zu tun -, eine Pfeife aus Kirschholz und eine Dose Tabak lagen. »Kann natürlich auch sein, dass Sie es vorziehen zu stehen, da Sie ja den ganzen Weg von Springwater im Sattel gesessen haben.«
Rachel zog es tatsächlich vor, stehen zu bleiben, da ihre Beine leicht verkrampft waren.
»Ich könnte uns einen Kaffee machen«, bot Landry erneut an, während er sich in einem Becken neben dem Herd die Hände wusch.
Rachel wollte schon dankend ablehnen, als ihr bewusst wurde, wie wichtig es für Mr. Kildare war, ihr seine Gastfreundschaft zu beweisen. Wie er zuvor schon gesagt hatte, empfing er hier draußen nur selten Gäste. »Sehr gerne«, erwiderte sie.
Er erlaubte den Jungen, ins Freie zu gehen, die offensichtlich heilfroh waren, sich wieder ihrem Indianerspiel widmen zu können. Dann füllte er etwas Wasser in einen Emaille-Topf, maß Kaffeemehl ab, das er dazugab, und setzte dann den Topf auf den Herd. Nachdem er das Feuer entzündet hatte, ging er quer durch den Raum, nahm sich den einzigen anderen Stuhl und setzte sich rittlings darauf, wobei seine Arme locker über der Lehne lagen. Er blickte Rachel mit seinen treuherzigen Augen an.
Wenn sie sich schon zu einem Ma n n hingezogen fühlen musste, wenn sie schon noch einmal die süße heimliche Erregung spüren musste, wieder Freude und Herzweh durchleben musste, warum konnte es dann nicht ein Mann wie Landry Kildare sein - sondern ausgerechnet Trey Hargreaves? Mit Sicherheit waren die Gefühle, die sie spontan für Mr. Kildare empfand, vollkommen harmlos und hatten nichts mit Romantik zu tun.
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