Rachel
kommt. In der Zwischenzeit arbeiten wir, so gut wir können, einfach weiter wie bisher. Was hältst du davon?«
Toby drehte sich um und schaute dem älteren Mann in die Augen. In seinem Blick lag etwas, was Rachel nur als scheue Bewunderung bezeichnen konnte. »In Ordnung«, sagte der Junge und nickte. Es war klar, dass er Jacob vollkommen vertraute.
Am folgenden Morgen kam die Kutsche pünktlich in Springwater an und die drei Passagiere waren froh, sich ein bisschen die Beine vertreten zu können, eine warme Mahlzeit einzunehmen und mal wieder eine Toilette benutzen zu können. Alle drei wollten noch am gleichen Tag weiterfahren und so stiegen sie wieder in die Kutsche, sobald die Pferde gewechselt und die Fracht geladen war. June zog ihre Schürze aus und reichte sie Rachel.
»Jacob«, sagte June, »ich brauche den Einspänner und ein anständiges Gewehr. Ich fahre hoch in die Berge, um Granny Johnson zu besuchen.«
»Willst du sie erschießen?«, fragte Jacob ernst, doch seine Mundwinkel zuckten ganz leicht und verrieten, dass er es wohl doch nicht so ganz ernst gemeint hatte.
»Ich brauche kein Gewehr, um mit Granny fertig zu werden, Jacob McCaffrey. Aber wenn mir eine Bärin mit ihren Jungen über den Weg läuft, sieht die Sache schon vollkommen anders aus.«
»Vielleicht sollte ich dich besser begleiten«, meinte Jacob etwas verunsichert.
June schüttelte den Kopf. »Du musst dich um das Gespann kümmern, das gerade reingekommen ist«, sagte sie. »Die Pferde müssen Futter und Wasser bekommen und gründlich mit Stroh abgerieben werden.« Sie deutete auf die acht Ti ere, die gerade die Strecke von Choteau nach Springwater zurückgelegt hatten. Wie üblich hatte Jacob zusammen mit dem Ku tscher ausgeruhte Pferde einge spannt. »Kümmere du dich um die armen Ti ere«, fuhr sie fort. »Rachel wird den Abwasch erledigen, den Boden wischen und später das Abendessen vorbereiten.«
Jacob hob zwar erstaunt eine Augenbraue, aber er gab keinen Kommentar dazu. Es war absolut unüblich, dass June jemand die Arbeiten erledigen ließ, die sie als ihre eigenen Pflichten ansah. Um das zu wissen, musste man nicht erst über vierzig Jahre mit dieser Frau verheiratet sein.
»Ich werde eine Portion Plätzchen mitnehmen«, meinte June, während sie zur Vorratskammer ging. »Auch Butter und Eier. Sie haben dort oben zwar ein paar Hühner, aber jetzt - wo der Winter gerade erst mal einen Monat vorbei ist - sehen die wahrscheinlich genauso spindeldürr und verhungert aus wie Granny selbst.«
Rachel konnte sich ein leichtes Lachen nicht verkneifen. Für jemand, der behauptete, Granny Johnson nicht zu kennen, wusste June ausgesprochen gut Bescheid, wie es um die schießwütige Alte stand und wie es in ihrer Umgebung aussah. Das Geschirr zu spülen und den Boden zu wischen war eine gute Therapie für Rachel. Sie summte bei der Arbeit leise vor sich hin und fühlte sich so wohl wie schon lange nicht mehr.
»Vielleicht hätte ich Miss June begleiten sollen«, memte Toby, der am Fenster stand und beobachtete, wie sich der kleine Einspänner den Berg hinauf wand und manchmal gefährlich schräg hing. »Ich meine, um sie gegen die Indianer zu beschützen und so.«
Jacob saß auf der anderen Seite des Raumes und zündete sich seine Pfeife an. »Mach dir mal um meine Miss June keine Sorgen, Toby«, sagte er, wobei seine dunklen Augen belustigt funkelten. »Wenn es zu einem Streit kommt, müssen die Indianer beschützt werden, aber bestimmt nicht Miss June.«
Jacobs Vertrauen in seine Frau war vollkommen berechtigt, wie sich bald herausstellte. Vier Stunden später rumpelte der Einspänner in den Hof und Miss June war unversehrt und mit heiler Haut zurück.
Aufgeregt und mit weit aufgerissenen Augen sprang Christabel auf dem Sitz neben ihr auf und ab.
6
Toby musterte Christabel von Kopf bis Fuß, hielt sich die Nase mit Daumen und Zeigefinger zu und quäkte: »Puh, du stinkst ja schlimmer als unser Klo!«
»Das will ich nicht gehört haben, Toby«, sagte Jacob streng, der hinter dem Jungen stand. Rachel, Toby und Jacob waren vor den Eingang der Station getreten, um die Ankömmlinge zu begrüßen.
Miss June schüttelte drohend den Zeigefinger. »Du gehst jetzt sofort in dein Zimmer, Toby Houghton, und überlegst dir, warum es falsch und böse war, so eine Bemerkung zu machen. Wenn dir das im Kopf klar ist und du bereit bist, dich bei Christabel zu entschuldigen, kannst du wieder rauskommen. Vorher nicht - und dann gibt es
Weitere Kostenlose Bücher