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Rachesommer

Rachesommer

Titel: Rachesommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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gefährlich?«, wiederholte sie.
    »Die Kripo Wien hat herausgefunden, dass der ehemalige Jugendrichter ein enger Freund Edward Hockinsons war.«
    »Wenn schon! Das ist nichts Besonderes. Beide wohnen in Cuxhaven und … Moment mal!« Sie stockte. Plötzlich erinnerte sie sich an das Gespräch mit Greta Hockinson. Die Frau hatte erwähnt, dass sich nach dem Tod ihres Vaters ein befreundeter Jurist im Ruhestand um die finanziellen Angelegenheiten der Verlassenschaft kümmerte, da sie selbst nie einen Schritt in das Büro ihres Vaters setzen wollte. Dieser Freund war Bolten! Zugleich war er damals als Passagier auf der Kreuzfahrt gewesen. Nach Hockinsons Tod kümmerte er sich um die Vermögensverhältnisse. Das bedeutete, er hatte Zugang zu sämtlichen Unterlagen.
    Patrick wollte etwas sagen, doch Evelyn schnitt ihm das Wort ab. »Bolten muss der Erpresser sein!«
    »Nein, ist er nicht«, widersprach Patrick. »Die Kripo hat herausgefunden, wem das anonyme Konto bei der Hamburger Volksbank gehört, auf das die erpressten Zahlungen erfolgten. Rate mal. Der Inhaber ist Edward Hockinson.«
    Plötzlich drehte sich alles um Evelyn. Wo war der Denkfehler? »Aber Bolten muss zumindest mit Hockinson unter einer Decke gesteckt haben.«
    »Möglich. Aber der Nutznießer des erpressten Geldes war eindeutig Hockinson.«
    Evelyn starrte immer noch auf die verbarrikadierte Rückseite des Hauses. »Warum sagtest du, dass Bolten gefährlich ist?«
    »Weil er sich kürzlich eine größere Menge hochkonzentriertes Botox organisiert hat.«
    »Botox? Will er sich litten lassen?«
    »Mit Botox kann man auch Menschen lähmen.«
    »Und wie ist er an das Zeug gekommen? Er ist doch sicher in keine Apotheke spaziert?«
    »Der Außendienstmitarbeiter einer Herstellerfirma hat Ärztemuster für eine Schönheitsklinik abgezweigt und unter der Hand verkauft. Der Skandal wurde deshalb so aufgebauscht, weil unser ehemaliger Richter einer der Abnehmer war … außerdem besitzt er einen Waffenschein für eine Luger.«
    Botox! Und eine Luger!
    Sie dachte an Pulaski. »Ich muss Schluss machen.«
    Während sie das Handy ausschaltete, lief sie bereits über den Rasen zur Terrasse.
    Vorsichtig, damit sie kein Geräusch verursachte, schob sie sich an den Campingstühlen vorbei zur fünfteiligen Terrassentür. Die Abendsonne spiegelte sich im Glas. Sie hielt das Gesicht dicht an die Scheibe und schirmte die Augen mit den Händen ab. Trotzdem war nichts zu erkennen. Ein dunkler Vorhang verwehrte ihr die Sicht ins Haus. Sie schlich an der Glasffont entlang, auf der Suche nach einer Möglichkeit, ins Haus zu gelangen oder zumindest einen Blick in den Raum zu werfen. Falls sie keine Stelle fand, blieb ihr nichts anderes übrig, als es beim Haupteingang zu versuchen.
    Als sie das Gesicht erneut an die Scheibe presste, gab die Glastür plötzlich nach. Die Terrassentür schwang nach innen auf und wurde von dem schweren Vorhang gebremst.
    Erst jetzt bemerkte Evelyn, dass die Scheibe von außen eingeschlagen worden war und gerade einmal so viel Glas fehlte, dass man mit der Hand durch das Loch greifen konnte, um innen den Griff zu betätigen.
    Vorsichtig schob sie die Tür auf und den Vorhang beiseite. Dahinter lag ein Wohnzimmer im Dämmerlicht.
     
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    In dem Zimmer roch die Luft muffig und abgestanden - eine unangenehme Mischung aus Mottenkugeln, Zigarrenqualm, staubigen Couchbezügen und alten Zeitungen.
    Evelyn trat vorsichtig ein. Als sie Glasscherben unter dem Turnschuh spürte, hielt sie für einen Moment inne. Leise drückte sie die Terrassentür zu und zog den Vorhang wieder an seine ursprüngliche Stelle.
    Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Langsam schälten sich die Umrisse von Couch, Tisch, Stehlampe und mehreren wuchtigen Kommoden aus der Schwärze. An den Wänden hingen monströse Bilderrahmen. Nirgends war ein Wort zu hören. Wohin waren Bolten und Pulaski verschwunden?
    Evelyn schlich durchs Wohnzimmer. Bei dem Gedanken, einen Zeitungsständer oder etwas Ähnliches umzustoßen, wurde sie nervös. Sie nahm das Handy aus der Hosentasche und richtete das beleuchtete Display auf den Boden. Es reichte aus, um zu sehen, dass nichts vor ihr auf dem Teppich stand.
    Langsam durchquerte sie das Zimmer, bis sie zu einem Torbogen kam, der in einen Vorraum führte. Hier wurde es noch dunkler. Sie tastete an der Wand entlang, glitt mit der Hand über eine Kommode, ein Häkeldeckchen, an Bilderrahmen und Kerzenständern

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