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Rachesommer

Rachesommer

Titel: Rachesommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Während er das Laken zu einem Druckverband faltete, zog er ein Handy aus dem Kittel.
    Indessen stürzte Pulaski zum Fenster und riss den Flügel auf. Kein Gitter. Unterhalb der Fensterbank verlief ein Eisensteg mit Geländer. Er endete bei der Feuerleiter, die mit einem Handlauf spiralförmig nach unten führte.
    Pulaski blickte sich im Park um. Nichts als Bäume, Hecken und Rosenbeete, so weit das Auge reichte. Da sah er einen grauhaarigen Mann im dunklen Mantel auf den Wald zulaufen.
    »Stehen bleiben!«, brüllte Pulaski.
    Verfluchter Mist. Der Mann lief, was das Zeug hielt. Pulaski schwang die Beine aus dem Fenster und sprang auf die Eisenbrücke. Das Gestänge klapperte und wankte gefährlich unter ihm. Er hetzte zur Feuertreppe und lief sie Stockwerk für Stockwerk hinunter. Mehrmals wäre er fast über seine eigenen Füße gestolpert.
    Keuchend kam er auf dem Schotterweg an. Er blickte zum Ende des Parks. Etwa zweihundert Meter trennten ihn vom Rand des Waldes, in dem der Grauhaarige soeben verschwunden war. Für einen Augenblick überlegte Pulaski, ob er zum Parkplatz auf der anderen Gebäudeseite laufen sollte, wo sein Wagen stand. Allerdings steckte der Autoschlüssel in der Tasche seines Mantels, und der hing im Vorraum.
    »Scheiße!«
    Pulaski lief los und hielt auf den Wald zu. Nach wenigen Metern brannten seine Lungen wie Feuer. Seine Atemwege machten nicht mit. Seine Kehle wurde immer enger. Er musste den Scheißkerl kriegen! Diesmal war er ihm so dicht auf den Fersen, dass er ihn nicht so einfach entkommen lassen würde.
    Er japste nach Luft. Binnen Sekunden war sein Hemd nass geschwitzt. Im Laufen fingerte er das Spray aus der Sakkotasche und inhalierte gierig. Selbst wenn er die gesamte Dose leeren musste - er würde nicht stehen bleiben.
    Als er den Waldrand erreichte, lehnte er sich an einen Baum, um für einen Augenblick zu verschnaufen. Es führte nur ein schmaler Wanderweg durch den Park. Ein Holzschild wies zur Waldkapelle und zum Ausgang. Der Kerl wollte durch das Osttor abhauen! Pulaski setzte sich in Bewegung.
    Weiter, weiter, spornte er sich an. Der alte, grauhaarige Mann konnte unmöglich Atter sein als er. Pulaski wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er stolperte über Schlammlachen, nasse Wurzeln, preschte direkt durchs Unterholz und kam wieder auf den Wanderweg. Schließlich erreichte er die Kapelle. Sie lag auf einer winzigen Lichtung, unter dem Blätterdach riesiger Ahornbäume.
    Eine Holztür knarrte. Pulaski fuhr herum und riss in der Bewegung die Walther aus dem Holsten Das Magazin steckte bereits im Griff. Er entsicherte die Waffe und zog den Schlitten zurück. Vorsichtig, mit der Pistole im Anschlag, schlich er um die Kapelle. Als er zwei jungen Frauen in beiger Anstaltskleidung gegenüberstand, nahm er die Waffe herunter. Sie hielten Zigaretten und Feuerzeug in der Hand und starrten ihn entsetzt an, als hätte er sie soeben bei etwas Verbotenem erwischt.
    »Wir wollten nur …«
    »Ist hier ein grauhaariger Mann im Mantel vorbeigelaufen?«
    Eine der Frauen zeigte Richtung Osttor.
    »Danke, bleiben Sie in der Kapelle, bis ich wiederkomme«, sagte er und rannte weiter.
    Mit jedem Schritt wurde seine Kehle enger. Der Hustenreiz schnürte ihm die Lunge zu. Er musste tief einatmen, um überhaupt etwas Sauerstoff zu spüren. Sein Herz raste wie eine überlastete Turbine. Wann würde er zusammenbrechen? Wenn er doch mit Doktor Pinsger nicht so lange diskutiert hätte, sondern gleich in Lesjas Zimmer gegangen wäre!
    Pulaski stolperte weiter. Nachdem der Weg um eine dichte Hecke bog, sah er den Mann vor sich. Ein großer, kräftig gebauter Kerl im dunklen Steppmantel. Er war etwa hundertfünfzig Meter entfernt. Die Allee führte geradewegs zu einer Mauer, die das Grundstück umgab. Der Ost-Ausgang, ein doppelflügeliges, wuchtiges Holztor, stand einen Spaltbreit offen.
    »Stehen bl…« Mehr brachte Pulaski nicht heraus. Der Rest ging in einem Pfeifen und Rasseln seiner Atemwege unter. Er inhalierte, aber der Druck auf seiner Lunge blieb.
    Kurzerhand schoss er mit der Waffe in die Luft.
    Aber der Mistkerl blieb nicht stehen.
    »Polizei!«, presste Pulaski hervor und gab einen weiteren Warnschuss ab.
    Der Mann lief unbeirrt auf den Ausgang zu. Nur noch wenige Meter, dann würde er durch den Spalt verschwinden und das Grundstück verlassen haben. Pulaski wusste nicht, was hinter der Mauer lag.
    »Verfluchter Dreckskerl«, schnaufte Pulaski. Er legte mit beiden Händen an, visierte

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