Rachesommer
zu. An ihren Gesichtern sah er, dass sie ihren Spaß dabei haben würden, ihn ordentlich in die Mangel zu nehmen und wie ein Karnickel durch den Fleischwolf zu drehen. Sie waren beide über vierzig und hatten derbe, kantige Gesichter. Der mit den geröteten, kleinen Schweinsaugen, Sommersprossen und rotblonden Haaren sah etwas verlebter aus. Im Gegensatz dazu schienen dem anderen mit der Halbglatze ein paar Gesichtsmuskeln zu fehlen. Er hatte bestimmt 1986 das letzte Mal gelacht. Doch Pulaski hatte auch nicht vor, einen der beiden zu heiraten.
»Sie haben geschossen?«, fragte der Rotschopf.
Wortlos händigte Pulaski ihm die Dienstwaffe aus. Der Rotschopf nahm das Magazin aus der Pistole und zählte die restlichen Patronen. Dann griff er zum Funkgerät. »Es müssten fünf Hülsen sein.« Offensichtlich sprach er mit dem Spurensicherungsteam beim Osttor.
»Haben Sie die Ärzte und Krankenhäuser in der Umgebung benachrichtigt?«, fragte Pulaski.
Der Glatzkopf grinste schief. »Wir machen unseren Job seit zwanzig Jahren.« Er schob sich einen Kaugummi in den Mund. »Wir haben gehört, es gibt in dieser Sache Überschneidungen mit Ermittlungen in Leipzig. Wer arbeitet an diesem Fall?«
Pulaski dachte an Stan und Laurel. »Klaus Winteregger und Lars Goteinik vom LKA in Dresden«, erwiderte er. Ein verbitterter Alkoholiker und ein junger Pupser, frisch von der Hochschule, fügte er in Gedanken hinzu.
Der Glatzkopf zog die Augenbraue hoch. »Und wer sind Sie?«
Pulaski nannte ihm seinen Namen und die Dienstnummer. »Ich bin vom Kriminaldauerdienst Leipzig.«
»Vom Kriminaldauerdienst?«, echote der Mann. Es klang, als spräche er über Herpes oder Syphilis. »Ziemlich weit weg von der Heimat. Gefällt Ihnen Sachsen nicht mehr?« Schlagartig änderte sich der Gesprächston, der ohnehin nicht besonders freundlich gewesen war.
»Wissen unsere Kollegen, was Sie hier machen?«, mischte sich der Rotschopf ins Gespräch.
»Was denken Sie? Wäre ich sonst hier? Die vom LKA kriegen den Arsch nicht hoch, während der Killer weiter mordet.«
Die beiden warfen sich einen Blick zu.
»Nun mal sachte, Dirty Harry.« Der Glatzkopf legte Pulaski die Hand auf die Schulter - eine Geste, die er gar nicht leiden konnte. »Ich denke, unsere Kollegen in Dresden haben die Sache besser im Griff als Sie, alter Mann.«
Pulaski schwieg. Die Kerle hatten keine Ahnung. Wenn es so weiterging, würden sie sich eine Stunde lang anpöbeln, während der Grauhaarige längst über alle Berge war.
Zwei Stunden später hatte Pulaski seine Aussage gemacht. Er musste nur noch warten, bis Glatzkopf und Rotschopf, die sich namentlich immer noch nicht vorgestellt hatten, ihm die Dienstwaffe wieder aushändigten.
In der Zwischenzeit saß er im leeren Speiseraum des Pavillons und telefonierte mit seiner Dienststelle in Leipzig. Fux war alles andere als gut gelaunt.
»Genau das ist der Grund, warum Staatsanwalt Kohler dir die Ermittlungen aus der Hand genommen und sie dem LKA übertragen hat!«, brüllte Fux. »Weil du nicht nach den Regeln spielen kannst!«
»Die Regeln! Was für ein Schwachsinn«, zischte Pulaski ins Telefon. »Hier geht es doch nicht darum, unter der Bürokratie zu buckeln, damit die Mühlen noch langsamer mahlen. Es geht darum, einen Mörder zu fassen und zu verhindern, dass er weitere Jugendliche tötet.«
»Oh, Gott«, stöhnte Fux. »Sinnlos, mit dir darüber zu diskutieren. Dabei dachte ich, du hast dich vor Jahren zu uns in den Dauerdienst versetzen lassen, damit du in Leipzig eine ruhige Kugel schieben und mehr für deine Tochter da sein kannst.«
Jasmin!
Pulaski blickte auf die Uhr. Kurz nach fünf. Sie war längst von der Schule nach Hause gekommen. Er musste sie dringend anrufen.
»Ja, stimmt«, murmelte er. »Aber dreht es dir nicht den Magen um, wenn du zusehen musst, wie die Ermittlungen dieser Dilettanten im Sand verlaufen?«
»Diese Dilettanten, wie du deine ehemaligen Kollegen vom LKA bezeichnest, haben heute einiges rausgefunden.«
»Tatsächlich?«
»Die Flasche mit dem Cadenheads Old Raj Gin, der Natascha eingeflößt wurde, stammte aus dem Büro des Ärztlichen Direktors.«
Dr. Heinrich Wolf, der bärbeißige alte Knabe, war Pulaski noch lebhaft in Erinnerung. Er hätte sich denken können, dass der Mann trank. »Was für eine großartige Erkenntnis! Sonst noch was?«
»Von der Gerichtsmedizin gibt es auch Neuigkeiten.«
»Das war zu erwarten, Meike ist die Beste.«
»Ihr vorläufiges Ergebnis von
Weitere Kostenlose Bücher