Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
vorbei war, wurde laut gejohlt, gerufen und mit Handflächen auf dampfende Kühlerhauben geschlagen. Ein rotes Auto hielt ganz in ihrer Nähe, und ein muskulöser Hüne stieg aus. Er trug die Haare kurzgeschoren, hatte einen Overall an mit einem langärmeligen T-Shirt darunter und schwarze Schnürstiefel. Als er näher kam, erkannte Dicte ein Maori-Tattoo, das sich an seinem Hals emporschlängelte, und nahm an, dass sein gesamter Oberkörper und die Arme mit diesen zungenartigen Mustern bedeckt sein würden. Matti Jørgensen sah aus wie einer, der täglich mehrere Stunden im Fitnesscenter verbrachte.
»Du hast Besuch, Matti.«
»Hmm?«
Der junge Mann zeigte auf Dicte, und der Hüne kam auf sie zu. Er schwitzte stark und wischte sich mit der Hand über die Stirn.
»Ja?«
Sie stellte sich vor und bekam einen verschwitzten Händedruck, der sich anfühlte wie ein Schraubstock. Sie starrten sich ein paar Sekunden lang an, bis er sich geschlagen gab und sie einStück von der Gruppe fortzog. Sie beeilte sich hinzuzufügen: »Ich bin Kundin in Ihrem Sonnenstudio in der Østergade. Das war echt schlimm mit der Explosion.«
Er nickte und sah gleich viel freundlicher aus. Er sprach mit gedämpfter Stimme, und Dicte musste sich konzentrieren. Matti Jørgensen war jemand, der gerne das ›r‹ verschluckte.
»Es ist ein
supe goße
Schaden entstanden. Die Polizei geht von
Vesicheungsbetug
aus, aber das können die doch
ga
nich
beuteilen
.«
»Haben Sie denn einen Verdacht, wer dahinterstehen könnte?«
Er schüttelte seinen riesigen Kopf und hatte ein kleines Lächeln im Mundwinkel, als er ihr antwortete.
»Und wenn ich den hätte, glauben Sie, ich
wüde
ihn
eine Jounalistin ezählen
?«
Sein Lächeln war ihre Eintrittskarte, sie erwiderte es.
»Nein, natürlich würden Sie das nicht. Eigentlich wollte ich mich auch nur erkundigen, ob ich einen Artikel über Sie und Ihre Geschäfte schreiben darf. So eine Art Porträt von dem Mann hinter dem Sonnenstudio.«
Sie sah ihm an, dass er zögerte.
»So etwas beruhigt die Polizei«, fügte sie hinzu. »Wenn die lesen, dass Sie in der Presse freundlich auftreten, dann fällt es denen leichter, in Ihnen einen Unschuldigen zu sehen.«
Er sah zwar skeptisch aus, erwiderte aber: »Na, meinetwegen. Legen Sie los.«
Sie interessierte sich für den ehemaligen Gefängniswärter, der sich gegen den Umzug von der altmodischen Vollzugsanstalt in ein hochmodernes, fluchtsicheres Wunderbauwerk entschieden hatte, das sogar mit architektonischen Preisen überhäuft worden war.
»Ich hatte keinen Bock, in so einer verdammten Raumstation zu arbeiten, aus der man praktisch nicht rauskommt. Das habe ich den anderen überlassen. Ich hatte was gespart und habe die Branche gewechselt.«
Er grinste.
»Raus aus dem Schatten und rein in die Sonne, wie
Ing-Kistine imme
sagt.«
»Das klingt auch viel optimistischer«, stimmte ihm Dicte zu. »Aber Ihnen wurde auch vorgeworfen, dass Sie ein paar zwielichtige Freunde aus der Rockerszene haben.«
»Ob das Freunde sind, weiß ich nicht. Aber ich kenne ein paar Typen aus meiner Zeit in Horsens, ja, das stimmt. Das ist nicht
veboten,
aber ich weiß, jeder
wid
in eine Schublade gesteckt.«
Gönnerhaft breitete er die Arme aus.
»Meine Meinung ist: Wer seine Strafe abgesessen hat, ist uns allen anderen gleichgestellt. Das, was ich mache, ist eine Art Sozialarbeit. Ab und zu vermittele ich denen einen Job bei mir oder bei
Ing-Kistine
.«
Nach den Sonnenstudios habe er sein Geld in einen Lincoln Continental investiert und einen Limousinenservice für Hochzeiten und andere Veranstaltungen gegründet, in weißem Anzug und passender Kopfbedeckung. Außerdem würde er sein Grundstück an Jugendzentren vermieten, damit die Kids sich bei Autorennen ein bisschen austoben konnten. Damit und mit den Einnahmen aus
Ing-Kistines
Boutique würden sie ganz gut über die Runden kommen.
»Mehr gibt es nicht«, sagte er. »Das ist keine Goldmine. Es ist nur die Alternative, ohne den Gefängnisjob klarzukommen. Ich darf ich selbst sein und kann für die Meinen sorgen.«
Dicte überlegte, in welcher Größenordnung er sich da bewegte, wenn er sich um die Seinen sorgte. Wie viel die Sonnenstudios abwarfen und wie viel er davon tatsächlich als Gewinn angab. Im Studio in der Østergade standen zehn Sonnenliegen. Bei 30 Kronen pro halbe Stunde kamen etwa 600 Kronen in der Stunde zusammen, das machte 6000 Kronen am Tag, wenn es zehn Stunden geöffnet hatte. Insgesamt belief
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