Radau im Reihenhaus
ich Waschpulver, brachte auch gleich die Bettwäsche mit und zwei Oberhemden von Rolf, die kochfest sein sollten, steckte alles in die Maschine, schüttete Waschpulver dazu, stellte sie an und freute mich, als das Wasser einlief. Hat man bei einem neuen technischen Gerät erst einmal heraus, wie es funktioniert, dann dauert es nicht mehr lange, und man versteht auch die Gebrauchsanweisung.
»Schluß mit der Rubbelei!« sagte ich zu meinem Sohn, »jetzt können wir Mensch-ärgere-dich-nicht spielen!«
»Nee, lieber Poker!«
Auf dem Weg zu Ofen kreuzte ich später die Küche, warf einen liebevollen Blick auf die Waschmaschine – und er- schrak. Hinter der Glasscheibe wälzte sich in einer unappetitlichen Brühe eine dunkelbraune Masse, die nun beim besten Willen nichts mehr mit schmutziger Wäsche zu tun haben konnte. So hatte nicht mal Saschas Bettbezug ausgesehen, als er seinem Teddy Dreiradfahren beibringen wollte und das ausgerechnet auf seinem Bett versucht hatte.
Ich schrie nach Rolf. Der kam auch, begutachtete die ganze Sache, meinte schließlich, die Maschine müsse ihr Wasser auf geheimnisvollen Wegen aus der Kanalisation beziehen, und ich sollte lieber gar nichts tun, sondern auf einen Fachmann warten.
Der kam aber erst nach vier Tagen, weil er vor Silvester keine Zeit mehr hatte und nach Silvester keine Lust, aber was er dann sagte, behalte ich lieber für mich. Jedenfalls habe ich mich nie wieder als Installateur versucht!
»Mich würde bloß mal interessieren, wie Wittingers ihre Maschine in den Keller gekriegt haben«, murmelte Rolf, als er sich wieder einmal das Schienbein an der vorspringenden Kante gestoßen hatte. »Bei denen steht sie nämlich unten.«
Dann kam ihm die Erleuchtung: »Wahrscheinlich haben sie das Haus drumherum gebaut.«
»Was macht ihr Silvester?«
Brauer hatte seine Morgenbesuche mit der Whiskyflasche unterm Arm wieder aufgenommen und in letzter Zeit einen dankbaren Partner gefunden für die tiefsinnigen Gespräche über Lebensphilosophie im allgemeinen und die der Nachbarn im besonderen. Rolf interessierte sich zwar weniger für Brauers Tiraden, aber er brachte neuerdings irischen Whisky mit, und der war für den Etat eines freien Werbeberaters zu teuer. Spätestens zur Mittagszeit hatten die beiden Männer die Flasche geleert und sämtliche Weltprobleme gelöst.
»So geht das aber nicht weiter!« hatte ich mich erst kürzlich bei Frau Brauer beklagt, als sie auf der Suche nach ihrem Mann erst Isabell aus dem Schönheitsschlaf gescheucht und dann bei uns geklingelt hatte. »Langsam, aber sicher züchten wir uns Alkoholiker heran!«
Frau Brauer zuckte mit den Achseln. »Alex ist doch schon einer! Haben Sie das noch nicht mitgekriegt?«
Eigentlich nicht. Ich war immer der Meinung gewesen, daß Alkoholiker unter Arbeitern zu suchen seien, die freitags mit der vollen Lohntüte in die Kneipe zogen und mit der leeren wieder nach Hause, Frauen und Kinder verprügelten und aus dem Mobiliar Kleinholz machten. Fernsehen ist bildend, und Familientragödien erfreuten sich damals besonderer Beliebtheit.
Nunmehr aufgeklärt, sah ich Brauer mit anderen Augen und entdeckte nichts Verdächtiges. Er hatte meistens strahlende Laune, war aufgekratzt, amüsant und ganz genau das, was man sich als Belebung einer öden Party wünscht. Und die erwartete uns Silvester.
Felix hatte seinen Besuch angekündigt. Das wäre nicht weiter schlimm gewesen, aber er wollte seine neue Freundin mitbringen, eine »aus gutem Hause«, und diese Damen kannte ich. Entweder erröteten sie schon bei so harmlosen Worten wie Doppelzimmer und Kinderwagen, oder sie fielen ins andere Extrem und veranstalteten nach dem dritten Glas Sekt einen gekonnten Striptease. Außerdem hatte Felix seine Angebetete erst vor wenigen Tagen kennengelernt, und in diesem Stadium pflegte er sie mit Kalbsaugen anzuhimmeln und alles außergewöhnlich zu finden, was sie sagte oder tat.
»Also, was ist nun? Geht ihr Silvester weg, oder feiert ihr zu Hause?« hakte Brauer nach, schenkte nochmals die Gläser voll und schüttelte entsetzt die Flasche, als es nur noch tröpfelte. »Früher war in so einer Pulle auch mehr drin! Jetzt nehmen sogar schon die Iren das dicke Glas. Betrüger sind das, allesamt!«
»Wir kriegen Besuch«, beantwortete ich seine Frage.
»Was? Ach so, morgen. Verwandtschaft oder vernünftige Leute?«
»Ein Freund mit Freundin.«
»Sonst noch jemand?«
»Nein.«
»Dann kommt ihr rüber!« bestimmte Brauer.
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