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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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Stute beschnupperte ihr Neugeborenes, sonst schien der Stall leer. Die meisten Tiere waren auf der Weide.
    Stimmen drangen aus dem kleinen Verschlag, in dem das Futter lagerte. Die eine, kindlich und hell, kannte sie nur zu gut. Die andere weckte vertraute und schwermütige Erinnerungen. Dann stand sie in der Tür. In der Kammer war es noch dunkler als im Stall. Trotzdem sah sie das helle Gesicht mit den Sommersprossen sofort, wie damals standen die blonden Haare störrisch in alle Richtungen. Ein rötlicher Bart verdeckte inzwischen das runde Kinn und ließ Giso älter aussehen. Er schob Bertafrid von seinem Schoß und stand auf.
    „Prinzessin!“ Er schwieg verlegen. Wie damals, als seine Schweine ihr Pferd zu Fall gebracht hatten, stieg eine leichte Röte zwischen die Sommersprossen.
    Bertafrid sah freudestrahlend von einem zum anderen. „Gunde, er … er ist wieder da! Je-jetzt ko-kommt auch Amalafrid bald! Dann kö-können wir zurück nach Hause!“
    Sie strich ihm über den Kopf und murmelte: „Wir werden sehen, Bertafrid. Geh jetzt mit Agnes nach draußen! Schaut euch das Fohlen an!“
    Enttäuscht schüttelte der Achtjährige den Kopf: „Ich wi-will hierbleiben!“
    Giso hockte sich zu ihm nieder. „Wir reden nachher weiter, junger Mann. Versprochen!“
    Energisch schob Agnes den Jungen aus der Tür.
    „Er spricht wieder!“, sagte Giso verlegen.
    „Ja, aber du hast gehört, wie! Er stottert so furchtbar, dass es weh tut, ihm zuzuhören.“
    Sie wandte sich um und stand ihm direkt gegenüber. Wie lange hatte sie diesen Augenblick herbeigesehnt! Zu guter Letzt hatte sie daran gezweifelt, dass er jemals kommen würde. Sie hätte ihn gern umarmt, aber eine gewisse Scheu hielt sie zurück.
    „Wie geht es Euch, Prinzessin?“ Ihre ausgesuchte Kleidung, ihr vornehm am Kopf geflochtenes Haar verunsicherten ihn. Sein Gewand war schmutzig und abgerissen, seine Schuhe mehrfach geflickt.
    „Wir werden hier gut behandelt. Aber berichte! Es tut so gut, unsere Sprache zu hören. Wie ist es dir ergangen? Hast du Amalafrid gefunden?“
    Giso zögerte. „Ja und nein. Ich will von vorn beginnen: Nachdem ich von der Beulenpest genesen war“, er grinste spitzbübisch, „schlug ich mich von Dorf zu Dorf durch. Sobald ich mich als Geflohener zu erkennen gab, bekam ich zu essen und warme Kleidung, sogar Schuhe. Nachts schlief ich in den Katen der Bauern. Nur wenn eine fränkische Wachpatrouille im Anmarsch war, musste ich mich verstecken. Sie waren noch immer auf der Suche nach Sklaven und ließen in den Dörfern nur die Alten und die Kinder zurück.“ Seine Stimme klang gepresst. „Trotzdem verlangen sie den Zins von fünfhundert Schweinen jedes Jahr! Die Alten plagen sich mit Krückstöcken auf den Feldern und die Kinder fallen vor Erschöpfung in den Ackerfurchen um.“
    Er räusperte sich. „Also, ich schlich mich vorbei am Königshof, er ist natürlich von den Franken besetzt. Ich kam zur Hölzernen Burg, sie war völlig niedergebrannt. Aber das Lager am Fuße des Berges bestand noch, obwohl es dort vor Gestank nicht auszuhalten war. Sie hatten noch immer nicht alle Leichen fortgeschafft. Ich wusste nicht so recht, wohin, da bin ich zunächst nach Fargala gegangen. Das Dorf stand noch, aber meine Eltern …“
    Sie legte ihre Hand auf seinen Arm.
    „Meine Großmutter saß vor unserer Hütte. Sie erzählte mir, die Franken wollten meinen Vater holen, weil er viel von Tierheilung versteht. Meine Mutter hatte sich ihnen entgegengestellt. Sie haben sie – na ja, du weißt schon – das ganze Dorf musste dabei zusehen.“ Er senkte den Kopf.
    Vor ihren Augen erschien das Birkenwäldchen hinter dem Lager an der Unstrut, sie hörte Kiara schreien. Dieses Bild gaukelte oft des Nachts in ihren Träumen umher und ließ sie jedes Mal aus dem Schlaf fahren. Sie drückte seinen Arm.
    „Dein Vater?“
    „Er ist wahnsinnig geworden. Sie haben ihn zwar mitgenommen, aber er kam einige Tage danach allein nach Hause. Völlig wirr. Er muss am Lager festgebunden werden, damit er sich nicht selbst verletzt.“ Er seufzte. „Ich fragte unseren Dorfältesten um Rat, zeigte ihm deine Fibel. Er riet mir, nach Osten zu gehen. Es hieß, König Herminafrid verstecke sich mit seiner Familie bei seinem Vetter Rodefrid im Warnenfeld.“
    „Im Land zwischen den großen Flüssen!“ Sie nickte. Das Warnenfeld lag im äußersten Zipfel des Reiches, bis dorthin würden die Franken nicht so leicht gelangen. Dazu mussten sie zunächst die

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