Radikal
Sachen.«
»Und was macht ihr?«
»Wir passen auf. Liegen auf der Lauer. Bis wir eines dieser Arschlöcher kriegen.«
»Und dann?«
»Dann sehen wir weiter.«
»Und mit wem machst du das?«
»Kennst du nicht.«
»Kenn ich nicht?«
»Brauchst du nicht zu wissen.«
»Ihr macht doch nichts Verbotenes.«
»Ich nicht.«
»Und die anderen?«
»Jeder muss selbst wissen, was er jetzt tut. Ich weiß, was ich zu tun habe.«
»Fadi?«
»Ja?«
»Mach keinen Scheiß, ja?«
»Scheiß? Susu , letzte Nacht sind wir zu spät gekommen. Zweimal. Erst in der Skalitzer Straße, das ist bei dir um die Ecke, Habibti , bei dir um die Ecke! Dann in der Urbanstraße. Ich habe alle Korane mit nach Hause genommen, die sie vor die Tür gekippt haben. Eingeschmiert mit Hundescheiße. Ich habe den Imam aus dem Bett geklingelt, weil ich nicht wusste, was ich damit tun muss. Er ist sofortzu mir gekommen. Dann habe ich die irakischen Jungs dazugerufen. Weißt du, was sie gesagt haben? ›Das würde sich im Irak keiner trauen.‹ Das haben sie gesagt. Wir haben bis heute Morgen um acht die Korane sauber gemacht.«
»Fadi, das ist schrecklich.«
»Ja, das ist es. Und was machst du?«
»Ich … ich arbeite, Fadi, ich muss das Büro auflösen, ich bin fast nur noch in Mitte.«
»Ja, natürlich.«
Da war sie, die Kluft. Sie konnte sie nicht überbrücken, jedenfalls nicht im Moment. Sie konnte Fadi nicht verraten, was Samuel gerade tat. Dass sie ihm zu helfen versuchte, die wahren Mörder Lutfi Latifs zu finden, und dass sie davon ausgingen, dass es dieselben Leute gewesen waren, gegen die Fadi nun, auf seine Art, zu Felde zog. Und trotzdem hatte Fadi eine berechtigte Frage gestellt. Was tat sie eigentlich? Hatte sie denn keine Augen im Kopf? Keine Ohren, um mitzubekommen, wie gefährlich die Stimmung mittlerweile war? Schaute sie weg, wo er hinsah? Zwischen ihrer Wohnung und der ihres Cousins lagen nur wenige hundert Meter, aber ihr wurde immer klarer, dass er in einem anderen Kreuzberg lebte als sie. Rauer, härter, ungemütlicher. Hässlicher.
Wenn sie wenigstens mit Samuel sprechen könnte. Aber siebzehn Tage nach der Ermordung Lutfi Latifs hatte Sumaya immer noch nichts von ihm gehört.
»Du musst zur Polizei gehen«, drängte Mina.
Sumaya wusste, dass ihre Mitbewohnerin recht hatte. Sie wusste auch, dass dieser Schritt vermutlich alle ihre privaten Ermittlungsversuche zerstören würde – ihre »alternativen Ansätze«, wie Lutfi Latif es in seinem hinterlassenen Brief formuliert hatte. Wenn es stimmte, was der Abgeordnete vermutet hatte und was sie und Samuel und Fadia ebenfalls glaubten, dann würde das Kommando möglicherweise nicht enttarnt werden, wenn die Polizei eingeschaltet würde. Aber Samuels Leben war wichtiger, und Sumaya suchte und fand die Visitenkarte, die Ansgar Dengelow vom BKA im Büro hinterlassen hatte.
Es war Fadi, der sie schließlich von dem Anruf abhielt, wenn auch unwissentlich. Sie hatte Dengelow am Abend auf der angegebenen Handynummer anrufen wollen, und war vorher noch zu ihrem Cousin gegangen.
Fadi war so zornig, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. »Hunde, verschissene Hundesöhne«, schrie er.
»Was ist passiert, Fadi?«
»Wir haben einen von ihnen erwischt. Gestern. Gestern Nacht, als sie die Moschee am Mehringdamm anzünden wollten. Es waren zwei. Einen habe ich fotografiert. Dann haben sie uns bemerkt und sind weggerannt.«
»Und was habt ihr gemacht?«
»Noch gar nichts.«
»Wieso nicht? Was habt ihr vor? Wenn du ein Foto hast, dann musst du damit zur Polizei gehen, Fadi!«
»Ach ja?«, fragte Fadi mit merkwürdig belegter Stimme, und reichte Sumaya einen grobkörnigen Abzug auf Fotopapier.
Das Bild zeigte, aus ungefähr fünfzehn Metern Entfernung aufgenommen, einen schwarz gekleideten Mann mit Kapuzenpullover. Er war schlank, drahtig und blickte mit erschrockenen Augen in Richtung Kamera. Mehr von seinem Gesicht war nicht zu erkennen, weil er sich mit einem schwarzen Stofftuch vermummt hatte. Sumaya erkannte Samuel trotzdem sofort.
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X
Sumaya stockte der Atem. Gleichzeitig merkte sie, wie sich ihr Magen zusammenzog. Noch immer hielt sie das Foto, das Fadi ihr gereicht hatte, in der rechten Hand, während sie mit der linken ohne hinzuschauen nach Halt suchte, bis sie schließlich einen Tisch ertastete, sich darauf abstützte und sich auf einen davor stehenden Stuhl sinken ließ. Sie ließ das Bild auf den Tisch gleiten, den Blick immer noch auf Samuels überraschtes
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