Radikal
, wie passend! Oder etwa nicht? Es fehlte ja eigentlich nur noch die blutrote Schärpe. Da saß er also, ihm direkt gegenüber: ein Vertreter des blauesten Blutes, das Europa zu bieten hatte. Der Baron war niemand, der sich in die Öffentlichkeit drängte. Aber so ganz ließ es sich nicht vermeiden, dass das eigene Bild gelegentlich abgedruckt wurde, bei einer solch illustren Verwandtschaft und Liste an Vorfahren – und wenn man zusätzlich regelmäßig Millionen spendete, einige seiner Liegenschaften in den Dienst der Öffentlichkeit stellte oder, vor einigen Jahren der letzte Anlass, aus dem über ihn berichtet worden war, einen nicht gerade kleinen Teil der Hinterlassenschaften des Hauses derer von und zu in eine selbst und neu gegründete »Stiftung Erbe des Abendlandes« überführte.
Samson ließ seinen Blick erneut über die Versammelten schweifen. Macht. Leidenschaft. Geld. Geschichte.
Er überlegte, was er sagen könnte, doch in diesem Moment trat ein Diener durch dieselbe Tür, durch die auch er den Saal betreten hatte, schenkte an dem Servierboard mit behandschuhten Händen ein Glas Wein ein und stellte es ihm hin. So schnell er konnte, verließ der Diener den Raum wieder. Die Tür fiel mit einem Schnappen ins Schloss. Sie waren unter sich.
»Wir freuen uns, dass Sie hier sind, Pippin .«
»Danke, Aurelius . Es ist mir eine Ehre.«
»Ja, es ist eine Ehre, zum Widerstand zu zählen. Aber das darf nicht unser Antrieb sein, sondern unsere Mission.«
Der Baron sprach mit einem sanften und bestimmten Bariton. Nicht der leiseste Hauch von Unsicherheit lag in seiner Stimme. Keine Nervosität. Keine Zweifel.
»Natürlich.«
» Pippin , wenn Widukind Sie nicht völlig falsch einschätzt, was ich für ausgeschlossen halte, wissen Sie, mit wem Sie es zu tun haben.«
»Sie sind der innerste Zirkel. Sie sind das Kommando Karl Martell.«
»Ja. Und warum, was meinen Sie, haben wir Sie hergebeten?«
»Sie haben mich hergebeten, weil ich vorgeschlagen habe, Anschläge auszuüben und sie der anderen Seite in die Schuhe zu schieben.«
»Ja. Aber da ist noch ein Grund.«
»Ja.«
»Sie wollen es nicht aussprechen?«
»Wir sind hier unter uns«, warf Jeremias ein. »Kleiner wird der Kreis nicht mehr.«
Widukind und Missy lächelten gespannt.
»Ich bin hier«, sagte Samson langsam, »weil Sie glauben, dass ich Ihnen durch meinen Vorschlag etwas zu verstehen geben wollte.«
»Exakt«, sagte Aurelius ruhig. »Und das wäre?«
»Dass Sie Lutfi Latif getötet haben.«
»Wie sind Sie darauf gekommen?«
»Weil ich es getan hätte. Tun würde.«
»Ja, das glauben wir auch.«
»Aber …«, sagte Samson.
»Natürlich«, fiel ihm Aurelius freundlich ins Wort und ein Lächeln spielte um seine Lippen. »Sie haben Fragen, richtig?«
»Ja, habe ich.«
»Was vermuten Sie?«
»Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich weiß es nicht. Das Video war gut. Aber keiner, den ich in Potsdam getroffen habe, kann das.«
»Genau. Wir brauchen diese Figuren für das tägliche Geschäft. Sie sind nützlich. Aber nicht für alles.«
»Sie arbeiten mithilfe von außen.«
»Ja.«
» Widukind erwähnte neulich special forces .«
»Und Sie sind tatsächlich genauso gut, wie er uns sagte. Chapeau, Pippin .«
»Wer sind die special forces ? Was tun sie?«
» Was so anfällt , sagt man nicht so? Nun, es gibt gewisse Fertigkeiten, auf die wir gelegentlich zurückgreifen. Haben Sie sich nicht gewundert, wie diese unsäglichen Bilder in das Haus dieses, Sie wissen schon, gelangt sind? Auch Maskenbildner können sehr hilfreich sein. Oder Menschen, die Dokumente herstellen können. Solche Dinge.«
»Und Mörder.«
»Was für ein hässliches Wort, Pippin! Wir haben einfach das große Glück, jemanden in unserem Umfeld zu haben, der auf dieselbe Idee gekommen ist wie Sie. Und der in der Lage war, es echt aussehen zu lassen.«
Samson nahm einen Schluck von dem Wein. Er konnte an Aurelius’ Augen ablesen, dass dieser Gefallen fand an ihrem Glasperlenspiel. Erwartungsvoll blickte er Samson an. Ein aufforderndes Lächeln spielte um seine dicken Lippen.
Samson setzt sein Glas vorsichtig ab. »Der Sarazene «, sagte er schließlich leise und merkte, dass seine Stimme heiser klang.
»Ah, Sie kennen sogar schon seinen Namen, wie schön! Ja, der Sarazene . Es könnte sein, dass Sie künftig mit ihm zusammenarbeiten werden. Verstehen Sie das nicht falsch, er ist natürlich kein Mitglied. Er gehört zu den special forces . Bislang leitet
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