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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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auch diejenigen, die sich auf die Fersen der Verwandten und Freunde von Terrorverdächtigen heften, sparsam sein. Sie stellte sich vor, wie der junge Mann am Abend oder am nächsten Morgen seinem Vorgesetzten würde erklären müssen, wieso er 29 Cent für ein Stück Seife ausgegeben hatte, ob das wirklich nötig gewesen war und ob man das Stück Seife denn wenigstens nutzen könnte, und dann würden bald alle Spione in Kreuzberg nach Rosenwasser duften, jedenfalls wenn sie sich nach dem Pinkeln die Hände wuschen, ob es da auch eine Vorschrift gab?
    Sie lief mit zügigen Schritten auf den Görlitzer Park zu, wo Fadi sich gewöhnlich an jedem zweiten Abend mit einem Dutzend Freunden zum Grillen verabredete, verabredet hatte , und stellte fest, dass sie immer noch beschattet wurde.
    Sumaya war wütend. Nicht auf den Mann, der sie verfolgte. Schon eher, weil sie nicht einmal wusste, welcher der beiden angeblichen Radikalen, die sie anscheinend kannte, der Grund für die Observierung war. Beobachtete man sie, weil sie Fadis Cousine war? Oder weil sie die Freundin von Samuel Sonntag war?
    Aber da war noch etwas anderes, ein Gefühl, für das sie noch keinen Namen gefunden hatte. Es war schlimmer als Wut. Viel schlimmer. Es war das Gefühl, dass etwas kaputtgegangen war, zerbrochen, nicht mehr zu reparieren. Was war nur mit ihrem Leben geschehen? Das hätte alles nie geschehen dürfen. Wieso war es geschehen?
    Es war ein heißer, wunderschöner Tag, das Licht war gleißend hell. Warum saß sie jetzt nicht mit Samson in Friedrichshagen im Strandbad und sorgte dafür, dass er nicht so blass aussah? Oder bereitete mit Fadi die Kebabspieße vor für das Grillen am Abend, wobei er sie in Wahrheit immer nur zuschauen ließ, wie er Muskat, weißen Pfeffer, etwas Zimt und Petersilie unter das Fleisch mischte, gemischt hatte , weil er meinte, dass ihre Spieße nicht schmeckten?
    Vielleicht würde es nie wieder so sein. Fadi war zwar wieder frei. Die Polizei hatte ihn nur eine Stunde lang befragt. Aber seine Rechner blieben bis auf Weiteres beschlagnahmt, es würde Monate dauern, bis sie ausgewertet seien, hatten sie ihm gesagt, und davonwürde abhängen, ob man ihn belangen werde oder nicht. Er hatte das Internetcafé geschlossen. Er war trotzdem dort gewesen, als sie vorhin zu ihm gegangen war. Sieben oder acht Freunde waren in dem leer geräumten Raum versammelt, sie erkannte zwei der Iraker wieder, ein paar palästinensische Freunde und Metin, seinen Mitarbeiter, auch zwei sehr deutsch aussehende Männer waren dabei.
    Fadi schickte sie weg, als Sumaya eintrat. Sie gingen ohne ein Wort.
    Er konnte ihr nicht in die Augen sehen. Keine Umarmung, kein Wort der Begrüßung.
    »Fadi, ibn Ammi! Sprich mit mir!«
    Nichts.
    Sie ging auf ihn zu, um ihn ihrerseits zu umarmen. Aber er wich zurück. Also blieb sie einfach neben ihm stehen, mitten in der klaffenden Leere, die sein Internetcafé gewesen war, und wartete, dass etwas geschehen würde. Es geschah nichts.
    »Fadi«, versuchte sie es nach einer Viertelstunde noch einmal, »was war da los? Wieso war die Polizei bei dir?«
    »Sumaya, verstehst du es denn immer noch nicht? Ich hab gedacht, ich könnte sie dazu bringen, genauer hinzugucken. Wegen der Moscheen. Ich hab ihnen keinen Namen gesagt, nur das Bild gegeben. Aber das hat die ja sowieso nicht interessiert. Sollen die Moscheen ruhig brennen! Die haben sich nur für mich interessiert. Verschissene Hundesöhne. Es stimmt, was die anderen sagen: Es gibt für die nur eine Sorte Radikale, und das sind wir. Jetzt weiß ich es auch.«
    Die Sätze schossen aus seinem Mund wie Gewehrkugeln, hart und schnell.
    »Morgen habe ich meine erste Gefährderansprache!« Fadi lachte bitter. »Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich hingehen werde. Schätze, das ist mir nicht gefährlich genug. Schätze, ich bin zu radikal für Termine bei der Polizei!«
    »Fadi, reite dich nicht noch tiefer rein!«
    »Du verstehst es wirklich nicht, oder? Es ist doch egal, was ich mache, ich bin sowieso radikal.«
    »Was meinst du?«
    »Wir wollten doch bloß ein paar Leute suchen, zum Aufpassen,wegen der Moscheen. Hikmat hat’s bei Facebook gepostet. Auf Arabisch. Dass wir Leute für ein bisschen Riqaba brauchen . Beobachten halt. Aber erklär denen das mal. Sie glauben’s nicht. Sie wollen’s nicht glauben.«
    »Fadi, ich versteh das alles nicht.«
    »Susu, ich sag dir eins: Pass lieber ein bisschen auf. Weil ich, ich bin jetzt ein amtlich beglaubigter

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