Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
Vom Netzwerk:
weiter.«
    »Kai?«
    »Ja?«
    »Es gibt ein Problem.«
    »Was denn?«
    »Das Foto, von dem Dengelow sprach? Mohammed und ich, Arm in Arm?«
    »Ja?«
    »Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht. Ich bin mir sicher, absolut sicher, es gibt nur ein einziges Foto mit uns beiden drauf. Ich kenne das Foto. Und ich weiß, wer es gemacht hat.«
    »Wer?«
    »Khaldun. Khaldun Nabulsi. Ein Freund von Mohammed, eher eine Art Mentor. Er studierte auch in Hamburg, aber er war etwas älter als die anderen, und er hatte die meisten seiner Semesterferien in Afghanistan verbracht, als Kämpfer. Er war ein al-Qaida-Mann, und jeder wusste das.«
    »Was bedeutet das, verdammt?«
    »Kai, es klingt abenteuerlich, aber ich glaube, er ist der Sarazene , von dem der Baron sprach. Nur so geht alles auf.«
    Kai starrte ihn ungläubig an. »Aber das würde bedeuten …«
    »Ja. Dass es doch ein al-Qaida-Anschlag war, genau.«
    »Scheiße.«
    »Ja.«
    »Und du glaubst, dass er auch den Sprengstoff bei dir platziert hat?«
    »Ja. Ich vermute es. Nur so geht es auf.«
    »Aber wieso arbeitet er für das Kommando? Das ergibt doch keinen Sinn!«
    »Doch, tut es. Ich glaube, es war so: Khaldun wollte Lutfi Latif umbringen, weil al-Qaida das wollte. Aber er brauchte Geld. Er hat sich an das Kommando herangewanzt und sich bei ihnen eingeschlichen. Sie kennen nicht seine gesamte Geschichte, aber er hat sich als eine Art Renegat vorgestellt, und sie sind drauf abgefahren und haben es ihm abgenommen. Dann hat er ihnen vorgeschlagen, Lutfi zu töten und es als al-Qaida-Anschlag zu tarnen. Das hat ja auch geklappt. Ich bin sicher, dass er das Video gemacht hat.«
    »Aber dann bist du auf der Bildfläche erschienen …«
    »Genau. Spätestens als Fadi mein Bild an die Polizei gegeben hat, wusste er vermutlich Bescheid. Sinn hatte das Bild, und wahrscheinlich hat er es Khaldun gezeigt. Khaldun kennt mich von früher und glaubt daher nicht, dass ich ein echtes Kommando-Mitglied bin, sondern ahnt, dass ich es unterwandern will. Das ist ein Problem für ihn. Denn er muss Angst haben, dass ich öffentlich machen könnte, dass die wahren Drahtzieher nicht al-Qaida-Dschihadisten waren, sondern islamophobe Terroristen. Das muss er natürlich verhindern.«
    »O.   k.«
    »Also scheißt er mich an. Er belastet mich und schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Er beweist, dass es al-Qaida war, indem er mir den Sprengstoff unterjubelt. Kai, denk mal nach: Ich bin der perfekte Verdächtige. Al-Qaida hat selbst keinen besseren.«
    »Scheiße.«
    »Ja, Riesenscheiße. Aber das ist noch nicht alles.«
    »Ich höre.«
    »Kai, stimmst du mit mir überein, dass diese Gleichung aufgeht?«
    »Ja.«
    »In Ordnung. Gut. Oder schlecht. Weil das Gegenteil nämlich auch wahr sein könnte.«
    »Ich verstehe nicht?«
    »Khaldun hat einen Bruder. Ich glaube, er heißt Khaled, ich bin mir nicht mehr sicher, ich hab ihn in Hamburg damals nur einmal getroffen.«
    »O.   k.«
    »Khaled ist sechs oder sieben Jahre jünger. Khaldun und er waren damals schon Halbwaisen, Khaldun war eine Art Ersatzvater für Khaled.«
    »Und?«
    »Kai, es ist mir erst gestern Nacht wieder eingefallen. Khaldun hat natürlich dafür gesorgt, dass Khaled auch ein Mudschahid wurde, hat ihn immer mitgenommen nach Afghanistan, ihn ausbilden lassen, ihm die wichtigen Leute vorgestellt. Sie sind beide bei al-Qaida ein- und ausgegangen. Khaled ist irgendwann für länger hin.Vor drei Jahren aber wurde Khaled getötet. Es war sehr hässlich, ich hab erst gar nicht verstanden, dass er es war. Es gab damals dieses Video, ›Hinrichtung eines Spions‹ oder so, es war eines der ersten dieser Art aus Waziristan. Der Drohnenkrieg hatte gerade so richtig begonnen, und al-Qaida und die Taliban waren total panisch, weil sie davon ausgingen, dass hinter jedem Treffer ein Informant stand, der die Ziele für die CIA markiert hatte. Sie haben Khaled erst alles gestehen lassen und ihm dann vor laufender Kamera die Zunge rausgeschnitten. Anschließend die Kehle durchtrennt. Danach den Kopf abgeschnitten und aufgespießt. Ich habe viele Videos von Hinrichtungen gesehen, Kai, aber nie ein ekligeres.«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Khaled war fast wie ein Sohn für Khaldun, aber ausgerechnet die Leute, denen er ihn anvertraut hatte, zu denen er selbst gehörte, haben seinen kleinen Bruder ermordet und geschändet und einen Film draus gemacht. Es muss die Hölle für ihn gewesen sein, das Video anzuschauen. Wer erträgt das? Kai,

Weitere Kostenlose Bücher