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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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Rieffen angeschaut, der Einzige von ihnen, der offenbar Hunger hatte, denn er löffelte und löffelte vor sich hin, und schien erst nach einer ganzen Weile zu bemerken, dass sie darauf warteten zu erfahren, was er herausbekommen hatte.
    »Ach so«, sagte er endlich und lächelte entschuldigend. »Also, ich habe etwas, aber es ist nur eine Kleinigkeit. Besonders gesprächig ist Arno nämlich nicht. Aber diese eine Sache habe ich mitbekommen, vielleicht hilft es uns ja.«
    »Und was ist es?«, fragte Merle Schwalb.
    »Dengelow ist der Held der Stunde beim BKA .«
    »Wieso das?«
    »Dengelow«, antwortete Frederick Rieffen, »hat den entscheidenden Hinweis im Alleingang organisiert.«
    »Was heißt das?«, fragte Merle.
    »Das weiß ich auch nicht genau. Aber der Hinweis, dass bei Samson Sprengstoff gelagert war, kam definitiv von ihm.«
    »Wie kann uns das helfen?«
    Rieffen zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
    Für einen Moment sagte niemand etwas.
    »Was plant Erlinger denn eigentlich?«, fragte Henk Lauter schließlich.
    Rieffen zog einen kleinen, zerknitterten Zettel aus der Hemdtasche. »Der Arbeitstitel lautet ›Codename Samson: Er gab sich als Terrorexperte aus, arbeitete im Bundestag – doch er wurde aus Waziristan ferngesteuert. Über zehn Jahre nach seiner Rekrutierung schlug er zu und tötete vierzehn Menschen. Wie aus dem Sporttaucher und Bettnässer Samuel S. ein al-Qaida-Schläfer wurde. Eine Globus – Exklusivgeschichte‹. So hat er mich jedenfalls gebeten, es beim dritten Geschlecht anzumelden. Er wollte acht Seiten, sie gibt ihm zehn. Wird vermutlich Titel.«
    Dengelow also, dachte Merle Schwalb, während sie an ihrem Camembert-Brötchen nagte, ausgerechnet . Dengelow, der seit Tagen nicht mehr ans Telefon geht, wenn ich anrufe. Vermutlich weil er genau weiß, dass ich mit Samson zusammen war, und dass jeder Kontakt zu mir darum seine Ermittlungen gefährden kann.
    Sie hatte eigentlich eine Liste machen wollen mit Ideen, wen sie als Nächsten anrufen könnte, wer noch etwas wissen könnte, was Samson entlasten oder Erlingers Wahnsinnsgeschichte ins Wanken bringen würde. Irgendwelche Ansatzpunkte musste es doch geben, die weder ihr noch Henk Lauter oder Frederick Rieffen bislang eingefallen waren.
    Doch dann hatte ihr Handy geklingelt.
    »Hallo?«
    »Frau Schwalb? Merle Schwalb?«
    »Wer ist denn da?«
    »Mein Name ist Utrecht. Wir haben einen gemeinsamen Freund.«
    »Ach ja?«
    »Einen gemeinsamen Freund, der kürzlich nach Moabit gezogen ist.«
    Merle legte ihr Brötchen, das sie in der Hand gehalten hatte, auf die Serviette. »Und? Was ist mit ihm?«
    »Er hat mich gebeten, Sie zu kontaktieren.«
    »Wann?«
    »Vor zwei Tagen.«
    »Das kann nicht sein.«
    »Doch, kann es. Ich würde es Ihnen auch gerne erklären, aber lieber nicht am Telefon.«
    »Wieso sollte ich Ihnen trauen?«
    »Hören Sie, es gibt viel zu besprechen. Beruhigt es Sie, wenn ich Ihnen sage, dass ich Sumaya al-Shami mitbringen würde?«
    Merle hatte keine Ahnung, wer der Anrufer war. Aber sie wusste,dass sie ihn treffen musste. Sie sah auf ihre Uhr. »Wie wäre es in einer Stunde? Um neun?«
    »Kennen Sie die Ablegestelle von Stern & Kreis an der Brücke am S-Bahnhof Friedrichstraße?«
    »Ja.«
    »Wir nehmen das erste Ausflugsschiff nach neun Uhr, das die einstündige Tour macht, und treffen uns oben auf dem Sonnendeck. Nicht die Dreistundentour, die kleine Runde!«
    »In Ordnung.«
    Das Schiff hieß »Müggelspree-Nixe«. Es war weiß-blau gestrichen und dümpelte sacht im Wasser. Merle Schwalb zahlte die neun Euro fünfzig für das Ticket und kletterte über eine schmale Gangway an Bord. Eine noch schmalere Treppe führte auf das Oberdeck, wo weiße Metalltische und – bänke am Boden verschraubt waren. Utrecht und Sumaya al-Shami waren bereits da und saßen auf der rechten Seite ganz vorne, am begehrtesten Tisch überhaupt, weswegen einige echte Touristen Merle Schwalb mit kaum verhohlener Missgunst anblickten, als sie sich zu den beiden auf den offenkundig gegen einigen Widerstand freigehaltenen Platz setzte.
    Utrecht war großgewachsen und korpulent. Er trug ein grünes Poloshirt, das über dem Bauch spannte, und nickte ihr zur Begrüßung zu. Auch Sumaya al-Shami nickte ihr zu.
    »Hallo«, sagte Merle und reichte Lutfi Latifs ehemaliger Mitarbeiterin über den Tisch hinweg die Hand. »Ich hätte Sie anrufen sollen, es tut mir leid, ich hatte so viel zu tun.«
    »Natürlich«, antwortete Sumaya al-Shami. »Sie

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