Radikal
einverstanden?«
»Frau Schwalb, meinetwegen, aber ich sitze im Auto und habe nicht mehr viel Zeit. Okay?«
»Gut, geht gleich los: Ghazi Bustani?«
»Versenkt.«
Gut, dachte Merle Schwalb. Bustani lebte in Hamburg. Obwohl man ihn verdächtigte, an diversen Terroranschlägen im Ausland mitgewirkt zu haben, hatte man ihn nie verurteilen können. Aber er hatte trotzdem einen Namen wie ein Donnerhall. Damit würden sie etwas anfangen können. Bei den nächsten fünf Vorschlägen lag sie allerdings daneben. Die Namen hatte sie aus aktuellen Artikeln der Drei Fragezeichen destilliert.
»Jetzt weiß ich nicht mehr weiter«, gab sie zu.
»Frau Schwalb, das Gefühl kenne ich, glauben Sie mir. Aber lassen Sie sich von mir trösten. Es ist kein Promi mehr auf der Liste.«
»Super, vielen Dank, Herr Dengelow.«
»Ja, ja, schon gut. Aber jetzt habe ich noch eine Frage.«
»Ja, bitte.«
»Sind Sie jetzt das vierte Fragezeichen?« Dengelow kicherte leise, aber Merle Schwalb hörte es trotzdem.
»Wie kommen Sie denn darauf?« Jetzt war sie es, die leicht genervt klang.
»Ach, nichts für ungut. Sagen Sie mir nur, ob wir uns drauf einstellen können, dass Sie sich in Ihrem famosen Magazin demnächst ausführlich über unsere Kundschaft auslassen werden?«
»Wir werden, und Sie können«, sagte Merle Schwalb. »Kann gut sein, dass einer von uns Sie deswegen noch einmal anruft.«
»Alles klar, dann viel Glück.« Dengelow legte auf.
***
Ein leises Klopfen am Türrahmen riss Sumaya aus ihren Gedanken.
»Entschuldigung, ich will Sie keinesfalls hetzen. Aber ich wollte mal fragen, wie weit Sie sind«, sagte Lutfi Latif.
»Oh, kein Problem. Ich bin … ich bin so weit, denke ich.«
»Und, was denken Sie?«
»Also, das Gute ist: Kein Absender will sie persönlich ermorden, und niemand behauptet, im Namen einer bestimmten Gruppe zu sprechen.«
»Ah, das ist schon einmal gut zu wissen. Das wird helfen, dem Ganzen ein wenig von der Dramatik zu nehmen.«
»Ja, das denke ich auch. Aber da ist noch etwas.«
»Legen Sie los. Ich höre zu.«
»Herr Latif, haben Sie die Zuschriften gelesen?«
»Herr Munkelmann hat mir ein paar gezeigt, darunter zwei arabische, mit denen er nichts anfangen konnte. Wieso?«
»Wussten Sie, dass gar nicht alle Drohungen von Islamisten stammen?«
»Na ja, das ist sicherlich eine Definitionsfrage. Vermutlich müsste man sich jeden Absender und jede Zuschrift einzeln anschauen, um das zu beurteilen.«
»Nein, das meine ich nicht.«
Der Abgeordnete blickte sie fragend an. Sumaya griff nach ihrem Notizzettel. Sie wollte gerade zu einer Erläuterung ansetzen, doch in dem Moment klopfte es, und Cord Munkelmann steckte seinen Kopf durch den Türspalt.
»Entschuldigung, ich will nicht stören. Aber es ist zwölf Uhr, und der Herr vom BKA ist da wegen des Sensibilisierungsgesprächs.«
»Natürlich«, sagte Lutfi Latif. Der Abgeordnete hatte Sumayas Büro schon fast verlassen, als er sich noch einmal umdrehte. »Sumaya, Sie kommen bitte auch mit«, sagte er.
***
Ansgar Dengelow war gerne Ermittler. Doch um in einer Behörde aufzusteigen, brauchte man mehr als Enthusiasmus und die Überzeugung, etwas Sinnvolles zu tun oder wenigstens auf der richtigen Seite zu stehen. Es war zum Beispiel wichtig, wenn es darauf ankam, praktisch ohne Schlaf auszukommen. Es schadete nicht, eine gewisse Menge Alkohol verkraften zu können. Es war sinnvoll, keine Affären im Dienst zu pflegen. Die Spiele im Umgang mit der Presse zu beherrschen, konnte von entscheidendem Vorteil sein. Aber Dengelow war überzeugt, dass er es nie so weit gebracht hätte, wenn er nicht stets seine eigene goldene Regel befolgt hätte: Niemals versuchen, die Zahnpasta wieder in die Tube zu quetschen. Wenn etwas geschehen war, war es geschehen – es konnte dann nur noch darum gehen, das Beste daraus zu machen.
Und wenn möglich, für sich zu nutzen.
Genau das würde er auch jetzt tun.
Denn natürlich war es nicht gut, dass der Globus über die Bedrohung des Abgeordneten Lutfi Latif geschrieben hatte. Und es war noch weniger gut, dass er nicht wusste, wie das Magazin an die Briefe gelangt war. Beides erschwerte seine Arbeit. Zwar war er Gott sei Dank nicht persönlich für die Sicherheit des Abgeordneten verantwortlich, das war das Revier der Kollegen von der Sicherungsgruppe. Aber er hing auch mit drin, denn immerhin hatten einige der zentralen al-Qaida-Anführer persönlich den MdB ins Fadenkreuz genommen, und deswegen hatte der
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