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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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Abendland schlummert leider, in den Schlaf gesungen von doppelgesichtigen Scheinheiligen wie Ihnen. Wir werden aber nicht tatenlos zusehen, wie Sie und Ihre Horden unsere Zivilisation zersetzen, schleichend die Scharia einführen, Kopftuchmädchen produzieren und mit Ihrer Heulsusen-Mentalität weiter unsere Toleranz missbrauchen.
    Keine Unterschrift.
    Kein Absender.
    Wir werden nicht tatenlos zusehen. Kurz überlegte Sumaya, ob diese Formulierung konkreter war als die in den übrigen Zuschriften. Aber das war sie wohl nicht. Islamisten, Nazis und nun auch noch Islamhasser: Wenigstens, dachte Sumaya, hat Lutfi Latif die richtigen Feinde. Nachdem sie alle Zuschriften noch einmal durchgezählt hatte, kam sie laut ihrer Strichliste auf 51 Zuschriften mit islamistischem Hintergrund, die Nazis folgten mit neun, die Islamhasser kamen auf vier Drohungen.
    Aber was sollte sie dem Abgeordneten denn nun empfehlen?
    Klar, Lutfi Latif könnte in seiner Reaktion auf die Presseanfragen darauf eingehen, dass er nicht nur von Islamisten bedroht wurde – das wäre nicht nur naheliegend, sondern auch wahr und transparent, und stünde damit in Einklang mit Lutfi Latifs erklärten Ansprüchen an die Politik. Aber eine solche Antwort würde den Globus – Bericht natürlich in ein schiefes Licht rücken. Wäre es klug, das Magazin dumm dastehen zu lassen? Und noch wichtiger: Wieso hatte der Globus eigentlich nur über islamistische Drohungen geschrieben? Eine Möglichkeit war, spekulierte Sumaya, dass das Magazin alle anderen Drohungen einfach aussortiert hatte. Aber warum? Weil die Redaktion sie nicht ernst nahm? Weil sie sie verschweigen wollte? Oder war dem Globus nur der islamistische Teil der Korrespondenz durchgestochen worden? Hatte vielleicht der Informant beim BKA die anderen Zuschriften zurückgehalten? Freilich stellte sich dann ebenfalls die Frage nach dem Grund. Oder kannte am Ende auch das BKA gar nicht alle 64 Zuschriften? Aber Cord Munkelmann hatte doch offensichtlich Zugriff auf alle Zuschriften. Und von wem, wenn nicht von ihm, würde das BKA die vorsortierten Zuschriftendenn bekommen haben? Sumaya öffnete das kleine Fenster in dem Büro, das sie sich ausgesucht hatte.
    Irgendjemand, dachte sie, spielt falsch. Aber wer und warum?
    ***
    Merle Schwalb hatte durchaus einen Hang zur Prokrastination. Aber in diesem Fall verbot sich jedes Hinausschieben und Wegducken. Die Drei Fragezeichen waren sicher nicht begeistert, dass sie mit im Boot sitzen würde. Sie hatte es ihren Mienen nach der Konferenz ansehen können. Aber es würde einfacher sein, ihr Wohlwollen zu gewinnen, wenn sie eine Morgengabe einbringen konnte. Also wählte sie, kaum dass sie wieder in ihrem Büro saß, Ansgar Dengelows Handynummer. Nach dem dritten Klingeln nahm der BKA – Ermittler ab. Merle Schwalb bemerkte sofort, dass er im Auto saß.
    »Frau Schwalb!«
    »Herr Dengelow, guten Tag! Ich störe nur ungern. Aber ich muss Sie unbedingt noch einmal ein paar Kleinigkeiten im Zusammenhang mit den Drohungen gegen Lutfi Latif fragen.«
    »Muss das sein?«
    »Ich fürchte ja.«
    »Wir reden im Hintergrund, o.   k.? Unter drei.«
    »Unter drei ist völlig in Ordnung«, sagte Merle Schwalb. Unter drei bedeutete, dass sie die Informationen verwenden und berichten, aber an keiner Stelle andeuten durfte, woher sie kamen. Kein Name würde fallen, keine Behörde erwähnt werden. Und sie würde kein direktes Zitat bringen. Am Anfang einer Recherche war das vertretbar. Später, wenn der Termin der Drucklegung näher rückte, würde sie für wichtige Passagen Zitate brauchen, am besten unter eins, also mit vollem Namen. Im Notfall auch unter zwei, was auf verschleiernde Formulierungen wie »heißt es in Sicherheitskreisen« oder »sagt ein Beamter, der mit der Materie befasst ist« hinauslief. Soweit sie wusste, stammte der Dreier-Code aus den Zeiten, als die Bundesregierung ihren Sitz noch in Bonn gehabt hatte. Er hatte den Umzug nach Berlin fast unbeschadet überstanden, auch wenn ältere Kollegen gelegentlich mäkelten, unter drei habe früher bedeutet,dass man etwas nur wissen, aber eben gerade nicht schreiben durfte. Irgendwie merkwürdig, dachte Merle Schwalb, dass mittlerweile sogar Beamte in den Sicherheitsbehörden völlig selbstverständlich mit diesen Insiderbegriffen hantierten.
    Doch dann riss Dengelows krächzende Stimme sie aus ihren Überlegungen. »Schießen Sie los!«
    »Hören Sie, ich weiß, und ich kann Ihnen nicht sagen woher, aber wir

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