Radio Miracoli und andere italienische Wunder
Luft aus dem Reifen lassen.«
»Ich soll die Klappe aufmachen und die Luft rauslassen?«
»Himmel, Diego! Was hast du bisher für ein Leben geführt?«
Auch mir ist viel daran gelegen, es diesen Arschlöchern heimzuzahlen. Ich bräuchte nur noch ein wenig Zeit, um mich psychologisch darauf vorzubereiten. Stattdessen wirft sich dieser Schnösel von Fausto einfach auf den Boden, und ich werde von einer Sekunde zur anderen plötzlich an die Front geschickt. Das wollte ich eigentlich sagen, aber ich bin völlig aus dem Häuschen und werde aggressiv.
»Entschuldige bitte, ja? Tut mir sehr leid, dass ich noch nie einen Molotowcocktail geworfen habe. Tut mir leid, dass ich nicht mit Tränengas in der Nase groß geworden bin und nie Patronenhülsen verschickt habe! Ich hatte nämlich was anderes zu tun. Du weißt ja, wie das so ist, ich musste arbeiten, um was zu beißen zu haben!«
»Auch ich habe gearbeitet, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Was glaubst du denn? Nur dass ich mich nicht vor den Fernseher gesetzt habe, wenn ich mit der Arbeit fertig war! Ich habe meinen Hintern bewegt, bin auf Demos gelatscht und keinem Schlagstock aus dem Weg gegangen!«
Normalerweise vermeide ich jede politische Diskussion. Um nicht in hysterische Wortwechsel über strittige Finanzmanöver oder Einwanderungsgesetze verwickelt zu werden, habe ich mir angewöhnt zu sagen, dass ich die Grünen wähle. Das funktioniert immer. Keiner weiß, worüber er mit einem Grünen diskutieren soll. Doch jetzt muss ich meine Nervosität loswerden und kontere erbost. Unser Gebrüll verstummt erst, als wir die Straße erreichen, die zum Lagerhaus der beiden Schweine führt. Sergio schaltet die Scheinwerfer aus und platziert die Rampe des Kipplasters zentimetergenau direkt vor dem Gittertor. Ich wage kaum zu atmen, während ich sein Manöver durch das Seitenfenster verfolge. Claudio, der seit der Abfahrt stocksteif und schweigend dasitzt, fängt zu hecheln an, als läge er in den Wehen. Als ich mich zu ihm umdrehe, um zu sehen, was er auf dem Rücksitz treibt, fällt mein Blick durch das Fahrerfenster auf den Lieferwagen, aus dessen Reifen ich die Luft herauslassen soll. Erneut ergreift mich Panik, und ich fange wieder an zu schwadronieren.
»Aber diese Zeiten sind jetzt ein für allemal vorbei! Die echten Helden heutzutage sind die Alten, die es schaffen, mit einer minimalen Rente durchzukommen! Und die Jungen bekämpfen eine Gesellschaft, die ihnen keine Zukunft mehr bietet, mit friedlichen Demonstrationen! Du und Leute deines Schlages – ihr seid doch am Ende! Euch will niemand mehr!«
Ehe Sergio mir antworten kann, springe ich vom Laster und eile in Richtung Heckklappe. Aber er kurbelt das Fenster herunter und faucht mich an: » Euch will niemand mehr? In wessen Namen sprichst du eigentlich? Wen repräsentierst du, zum Henker?«
»Und du, wen repräsentierst du? Wer gibt dir das Recht, die Scheiben meiner Bank einzuschlagen?«, erwidere ich und mache kehrt.
»Du kannst es dir doch nur erlauben, bequem an deinem Schreibtisch zu hocken, weil es solche wie mich gibt, die es riskieren, in den Knast zu wandern!«
Dieses Mal entscheide ich, ihm keine Antwort zu geben, kehre zur Heckklappe zurück und löse die erste Haltevorrichtung. Doch dann ergreift mich heiliger Zorn. Es ist absurd, dass Leute wie er sich als unentbehrlich für die Nation erachten und Menschen wie mir, die arbeiten, Vorwürfe machen. Ich gehe um den Laster herum und bleibe unter Sergios Fenster stehen.
»Und ich habe das Gefühl, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Erst dank solcher Leute wie mir, die arbeiten, Steuern zahlen und das Land voranbringen, könnt ihr es euch überhaupt erlauben, Revolution zu spielen und bei Demos zu randalieren!«, sage ich zu ihm, ehe ich wieder umkehre, um auf meinen Posten zu gehen.
»Komm her, du Feigling!«, brüllt mich Sergio durch die Windschutzscheibe an. »Sag das mal den Eltern der jungen Leute ins Gesicht, die bei einer Demonstration ums Leben gekommen sind! Geh hin und sag ihnen, dass ihre Kinder nichts weiter als randalierende Arschlöcher waren!«
Ich vermeide es, Sergio in die Augen zu schauen. Ich habe Angst, dass die Sache böse enden könnte, aber ich kann mich nicht mehr zurückhalten, steige wieder auf den Lastwagen und knalle die Autotür zu. Claudio zuckt zusammen, bringt aber kein Wort heraus.
»Bravo, was für ein toller Schluss! Weil du wahrscheinlich keine Probleme damit hättest, das dem Sohn eines
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