Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
Farbe ist anders, sondern auch jegliches Leben scheint aus ihnen gewichen zu sein. Fast sind sie so starr wie die Augen eines Toten. Ich versuche, mich zu beherrschen, ihm zuliebe. Zärtlich fahre ich ihm über den haarlosen Kopf. „Finn“, flüstere ich. „Endlich bist du wieder bei mir.“
Sein Blick begegnet dem meinen. Er ist verwirrt, aber sanft. „Kenne ich dich?“
Damit war zu rechnen und ich lächle ihm tapfer entgegen. „Ich bin Cleo. Du kannst dich im Moment noch nicht an mich erinnern, aber das wird bald anders werden. Ich werde dir dabei helfen.“
Ein leichtes Lächeln zuckt über seine Lippen. „Cleo“, flüstert er. „Was für ein schöner Name.“
„ Es bedeutet ‚Die, die mit der Sonne aufgeht’.“
Plötzlich öffnet sich die Tür und A350 steht bebend vor Wut in dem Raum.
„ Was machst du hier?“, fährt sie mich verärgert an.
„ Ich musste ihn sehen“, versuche ich mich zu verteidigen, aber halte dabei gleichzeitig meine Stimme ruhig, um Finn nicht zu erschrecken. Doch seine Augen sind bereits angstvoll geweitet.
„ Ich habe es dir verboten“, schimpft A350 unnachgiebig. „Komm sofort mit mir!“
„ Aber er ist gerade aufgewacht! Wir können ihn doch jetzt nicht alleine lassen“, flehe ich sie an, aber sie zeigt kein Verständnis.
„ Ich lasse einen Arzt rufen, der wird dafür sorgen, dass er bis zur Untersuchung weiterschläft.“
Sie packt mich grob an meinem Oberarm und zieht mich aus dem Zimmer.
„ Für dich ist die Vorstellung ebenfalls beendet“, fährt sie A566 aufgebracht an. Dieser zuckt nur grinsend mit den Schultern und schlendert unbeteiligt zu dem Aufzug. A350 schubst mich hinter ihm her. So wütend habe ich sie noch nie erlebt. Ich dachte, sie wäre meine Freundin. Kann sie denn dann nicht verstehen, warum ich es tun musste? Hätte sie nicht für mich das Gleiche getan?
Sobald wir mein Zimmer erreichen, befiehlt sie mir, die Tür zu öffnen. Doch anstatt mit einzutreten, bleibt sie davor stehen. „Ich werde jetzt D560 Bescheid geben. Sie soll heute Nacht bei dir bleiben, und sobald du versuchst, das Zimmer zu verlassen, wird sie mich alarmieren. Haben wir uns verstanden?“
Ich bin es nicht gewohnt, dass sie in so einem Befehlston mit mir spricht, und kann nur stumm nicken.
„ Du setzt alles aufs Spiel. Ist das deine Art, mir zu danken?“, fährt sie mich weiterhin an. „Ich habe mich immer für dich eingesetzt und du stellst mich mit deinem ungehörigen Benehmen vor allen bloß. Willst du wirklich eine Deklassifizierung riskieren wegen eines Mannes, der sich nicht einmal an dich erinnern kann?“
Ich schüttele schnell meinen Kopf. „Woher wollt ihr wissen, dass er sich an nichts mehr erinnert? Du hast selbst gesagt, dass es das erste Mal ist, dass ihr die Operation bei einem Menschen durchgeführt habt.“
Ihre Augen verengen sich zu Schlitzen, aus denen sie mich wütend heraus anblitzt. „Er sollte sich besser an nichts erinnern.“
Mit diesen Worten lässt sie mich alleine zurück und geht. Ich habe verstanden. Wenn sich herausstellen sollte, dass die Operation nicht funktioniert hat, werden sie ihn töten.
Nur wenige Minuten später klopft es bereits an meine Zimmertür. Ich brauche gar nicht auf den kleinen Bildschirm zu schauen, um zu wissen, wer davorsteht. D560, so wie A350 es bereits angekündigt hat. Ich öffne ihr die Tür und versuche, mir meine schlechte Laune und Besorgnis wegen Finn nicht anmerken zu lassen. D560 ist ohnehin schon immer so verschreckt. Doch obwohl ich nichts sage, bemerkt sie sofort, dass etwas nicht stimmt. Ich weiß nicht, wie viel ihr A350 bereits verraten hat, aber normal ist es sicher nicht, dass sie nachts bei einer Legionsführerin Wache halten muss. Aber erstaunlicherweise scheint sie das nicht im Geringsten zu stören, sie wirkt sogar fast erleichtert.
„ Du siehst traurig aus“, liest sie aus meinem Gesicht und ich bin beeindruckt davon, wie gut sie sich mit menschlichen Gefühlen auskennt, da solche hier eigentlich verboten sind. Zögernd blicke ich sie an. Es ist komisch, dass jetzt unsere Rollen vertauscht sind. Sonst ist sie immer diejenige, die traurig und verzweifelt wirkt. Jedes Mal möchte ich dann, dass sie mit mir spricht und ihre Ängste mit mir teilt. Doch jedes Mal bleibt sie so verschlossen wie eine Tür, für die es keinen Schlüssel gibt. Vielleicht sollte ich den ersten Schritt tun und ihr beweisen, dass ich ihr vertraue. Denn das tue ich. Bereits seit dem ersten Tag,
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