Raecher des Herzens
hast das Richtige getan, du wirst sehen.«
»Hoffen wir es.«
»Ja. Der Graf wird sich sicher über die gute Nachricht freuen.«
Als Celina an die mögliche Reaktion des Mannes dachte, den sie heiraten musste, und an die Erwartungen, die er zweifellos hegte, stieg Panik in ihr auf. »Aber die Hochzeit muss doch nicht schon am Samstag stattfinden. Ich kann Denys nicht einfach sich selbst überlassen.«
»Es muss nicht unbedingt der Samstag sein. Aber sobald Denys wieder zu sich kommt, dürfen wir nicht mehr zögern. Das Gerede über dich muss ein Ende haben.« Der Vater ging zur Tür. »Ruf mich, wenn sich sein Zustand ändert«, sagte er noch.
»Selbstverständlich«, flüsterte Celina. In den letzten vierundzwanzig Stunden hatte der Vater seine Sorge um
Denys und sie deutlicher gezeigt, als sie es je für möglich gehalten hätte. Er liebte sie beide auf seine Art, auch wenn es ihm schwer fiel, das zu zeigen. Doch selbst diese Erkenntnis war im Augenblick kein rechter Trost.
Als der Vater gegangen war, starrte Celina noch lange ins Leere. Sie fühlte sich wie ausgehöhlt. Eigentlich hätte sie jetzt Pläne für die Hochzeitsfeierlichkeiten schmieden, mit dem Geistlichen über die Trauungszeremonie sprechen, sich ein Kleid aussuchen, Einladungen schreiben, das Hochzeitsfrühstück zusammenstellen und tausend andere Dinge tun sollen. Doch daran wollte sie überhaupt nicht denken. Die Vorstellung, an der Seite des Grafen von Lerida vor dem Traualtar zu stehen, war so widerwärtig, dass Celina nicht wusste, wie ihre Beine sie in die Kirche tragen sollten. Trotzdem musste sie sich an den Gedanken gewöhnen.
Aber nicht jetzt gleich. Später, wenn sie nicht mehr derart müde war, würde es ihr vielleicht nicht mehr ganz so unmöglich und so unerträglich erscheinen, als Braut des Spaniers in die Kathedrale einzuziehen. Mit geschlossenen Augen ließ sie den Kopf gegen die Lehne des Stuhles sinken.
Nur das leise Quietschen eines Beschlags verriet ihn. Gerade war Celina noch mit ihrem Bruder allein gewesen, und nun stand Rio an der Balkontür des Zimmers. Der Balkon führte auf die Galerie hinaus, von wo aus man den Innenhof überblicken konnte. Rio sah aus wie immer. Nur an der linken Schulter war sein Mantel ein wenig stärker ausgebeult als sonst. Mit finsterem Blick nahm er den Hut ab und klemmte ihn gemeinsam mit dem Stock unter den Arm.
Celina sprang auf. Ihr Stickrahmen schlug geräuschvoll auf dem Fußboden auf. Sie trat an den Kamin und streckte die Hand nach der Klingelschnur aus. »Du musst sofort wieder gehen«, sagte sie entschlossen. »Sonst läute ich nach Mortimer.«
»Ich gehe, sobald ich mich davon überzeugt habe, dass es dir und deinem Bruder gut geht.«
»Uns fehlt nichts. Und nun lass uns bitte allein. Du hast kein Recht, hier zu sein.«
»Ich soll einfach so verschwinden? Ohne einen Abschiedskuss, ohne ein freundliches Lächeln? Und ohne ein paar Worte des Dankes?«
»Warum sollte ich dir dankbar sein, dass du meinen Bruder gerettet hast, wo du es doch warst, der ihn überhaupt erst in die Gefahr brachte?«
»Glaubst du das tatsächlich?« Rio musterte Celina mit ausdrucksloser Miene.
Es konnte an seiner Haltung oder an den tiefen Ringen unter seinen Augen liegen - jedenfalls fühlte sich Celina in ihrem gerechten Zorn plötzlich nicht mehr ganz wohl. Einen Augenblick lang zweifelte sie sogar an Rios Schuld. Ein wenig verlegen fragte sie: »Deine Schulter ... ich meine, sie wird doch wieder ganz verheilen?«
»Ich denke schon.«
»Dann ist ja alles gut.«
Eine quälende Stille legte sich über den Raum. Nur Denys’ rasselnder Atem war zu hören. Hin und wieder zischte die Walöllampe. Rio und Celina starrten in die kleine Flamme, die ihnen wie ein ferner Bote der Feuersbrunst in der letzten Nacht erschien. Einen Herzschlag lang trafen sich ihre Blicke, dann senkten beide wieder die Lider.
Rio fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und ließ die Hand im Nacken liegen. Seine Stimme war die eines müden, erschöpften Mannes. »Ich könnte dir ein paar Dinge erklären, wenn du bereit wärest, mir zuzuhören.«
»Kannst du das wirklich? Und ich soll dir dann glauben?«
»Ob du mir glaubst, musst du selbst entscheiden.«
»Was hat dich nur dazu bewegt, meinen Bruder gefangen zu halten? Reichte es denn nicht, mich in der Hand zu haben?«
»Ich wollte schon gestern Abend mit dir darüber sprechen. Aber dann kam das Feuer dazwischen.«
»Du hast mich angelogen! Du hast geschworen, es sei
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