Raecher des Herzens
sie die Rose. »Hoffentlich ist es nun vorbei!«
»Olivier glaubt es nicht.«
»Aber so kann es nicht weitergehen. Die Duelle müssen aufhören!«
»Du brauchst dich nicht aufzuregen«, sagte Suzette. »Olivier meint, der Silberne Schatten wisse sich schon zu wehren. Schließlich ist das sein Beruf.«
»Sein Beruf ist es, Männern beizubringen, wie man sich mit dem Degen verteidigt. Jeden Morgen dem Tod ins Gesicht zu sehen, gehört bestimmt nicht zu seinen Aufgaben.«
»Sieh dich vor, Mam’zelle. So wie du sprichst, könnte man meinen, das Schicksal dieses Mannes läge dir ein wenig zu sehr am Herzen.«
»Wie könnte mich sein Schicksal kalt lassen?«, antwortete Celina. »Schließlich bin ich schuld daran, dass er nun so viele Duelle durchstehen muss.«
»Du magst dir Vorwürfe machen, aber Monsieur de Silva und seine Freunde scheinen bester Dinge zu sein.
Olivier muss heute noch Karten für den Maskenball kaufen, der morgen Abend im Marine-Ballsaal abgehalten wird.«
»Fechtinstruktoren müssen sich nun einmal auf den öffentlichen Bällen sehen lassen. Schließlich verkehrt dort ihre Kundschaft. Ich nehme an, Monsieur de Silva will zeigen, dass er die Öffentlichkeit nicht scheut, obwohl sich überall, wo er hinkommt, junge Heißsporne einfinden, die nichts unversucht lassen, um sich mit ihm duellieren zu können.«
»Genauso sehe ich es auch«, murmelte Suzette.
Celina machte sich neue Sorgen um Rio. Wo er auch erschien, es würden sich weitere Herausforderer finden. Sie überlegte hin und her, wie sie ihm helfen konnte, doch das war nicht einfach.
Erst am späten Nachmittag kam ihr der rettende Gedanke. Allerdings brauchte sie für ihr Vorhaben Denys’ Unterstützung, doch der Bruder war nicht zu Hause. Geduldiges Warten war noch nie Celinas Stärke gewesen. Die Zeit bis zum Abendessen geriet zur Unendlichkeit. Aber es gelang ihr, Denys beiseite zu nehmen, bevor sie zu Tisch gerufen wurden.
»Nein«, sagte ihr Bruder sofort. Er ließ sie nicht einmal aussprechen. »Nein, chere. Und dabei bleibt es.«
»Aber warum denn? So groß ist der Gefallen, um den ich dich bitte, doch gar nicht.«
»Es würde dir nicht gefallen, und Papa wäre außer sich, wenn er es wüsste.«
»Er muss es ja nicht erfahren«, sagte Celina trotzig. Sie schob sich ein wenig näher an Denys heran und spielte mit dem kleinen silbernen Stierkopf, der seine
Uhrkette zierte. »Wie sollte er auch? In letzter Zeit kümmert er sich ja kaum noch um uns. Bald werde ich verheiratet sein und nach Spanien verschleppt werden, wo es immer nur nüchtern und förmlich zugeht. Warum willst du mir dieses kleine Abenteuer nicht gönnen?«
»Was ist mit Tante Marie Rose? Was wird sie dazu sagen?«
»Sie spielt morgen Abend wie jede Woche mit ihren Freundinnen Karten, im Stadthaus der Thierrys. Bis sie zurückkommt, sind wir längst wieder zu Hause.« Die Tante hatte in der Woche einen festen Tag, an dem sie für die Waisen nähte, und einen festen Abend für das Kartenspiel mit ihren Freundinnen. Im Allgemeinen schätzte sie es nicht, von diesen Gewohnheiten abweichen zu müssen. Doch wenn Celina eine Anstandsdame brauchte, war sie stets bereit, diesen verantwortungsvollen Posten zu übernehmen.
»Die Veranstaltung ist ein bal de guise. Die meisten Gäste kommen maskiert. Es könnte aufregender werden, als dir lieb ist.«
Celina musterte ihren Bruder skeptisch. »Aber es wird doch nicht allzu ungehobelt zugehen?«
»Wahrscheinlich nicht, aber auch längst nicht so gesittet wie auf den privaten Bällen, die du sonst besuchst, oder wie bei den Tanzabenden im St. Louis Hotel. Es werden Amerikaner da sein, Lina. Viele von ihnen sind zwar ganz respektabel, es ist aber auch viel zwielichtiges Volk zu erwarten.«
»Das klingt faszinierend. Jedenfalls ist das eindeutig interessanter, als zu den ewig gleichen privaten Bällen zu gehen, auf denen man immer dieselben Gesichter sieht. Ach bitte, Denys! Ich habe es so satt, immer nur anständig zu sein und immer nur das zu tun, was man von mir erwartet! Wenn alle spanischen Adeligen so verknöchert sind wie der Graf, ist das vielleicht meine letzte Gelegenheit, mich ein bisschen zu amüsieren.«
»Arme Lina«, sagte Denys. Er strich ihr mit dem Finger übers Kinn und lächelte sie an. »Freust du dich denn gar nicht darauf, nun bald eine Komtess zu sein?«
»Wie kannst du auch nur fragen?«
Denys’ Blick verfinsterte sich. »Hat der Graf dir einen Anlass zum Ärger gegeben? Oder vielleicht zu
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