Raecher des Herzens
habe es so gewollt. Falls du ... falls du auf dem Leintuch gewisse Spuren finden solltest, würdest du sie dann bitte entfernen, damit die Wäscherin keinen Verdacht schöpft?«
Suzette richtete sich überrascht auf. »Mam’zelle!«
»Ja, ich weiß. Aber es war notwendig.«
»Dein Vater wird dich verstoßen!«
»Das hoffe ich.«
»Sag nicht Dinge, die du gar nicht so meinst. Ich würde es nicht ertragen, wenn man dich davonjagt, während ich hier bleiben muss. Denk doch nur an Denys, denk an deine Vettern und Basen. Und denk vor allem an deinen armen Herrn Papa. Es wird ihm das Herz brechen, dich verstoßen zu müssen.«
»Wenn er auf mich gehört hätte, wäre ich nicht dazu gezwungen gewesen.«
»Du warst gezwungen, chere Mam’zelle ?« Suzette zog zweimal an der Klingelschnur. Damit gab sie das Zeichen, dass heißes Wasser für Celinas Morgenbad benötigt wurde.
»Du weißt schon, was ich meine. An allem ist nur der Graf schuld. Er besteht darauf, mich zu heiraten - notfalls gegen meinen Willen. Es gab nur einen Ausweg.«
»Du hast mich nicht richtig verstanden«, sagte Su-zette. Sie zog ein Taschentuch aus ihrer Schürzentasche und schnäuzte sich. Es war, als schiebe sie damit ihre eigenen Probleme beiseite, um sich denen ihrer Herrin widmen zu können. »Bist du dir sicher, dass du nicht unter einer ganz anderen Art von Zwang gehandelt hast? Gefällt dir der Fechtmeister vielleicht besser, als dir lieb sein kann?«
»Er sieht gut aus, ist schneidig und verwegen. Er würde jeder Frau gefallen. Sicher hast du nicht erwartet, dass ich mir einen Mann aussuche, der keinerlei Anziehungskraft besitzt.«
»Das ist keine Antwort.«
Suzette hatte Recht, und Celina wusste dies. »Na schön. Er gefällt mir. Aber er ist auch ein Mann, den andere nicht leichthin beschuldigen oder beleidigen.«
»Gilt das auch für Denys?«
»Ich hoffe und bete, dass Papa die Angelegenheit mit größter Diskretion behandeln wird, schon um Denys vor weiteren unüberlegten Schritten zu schützen. Die Sache geht nur Vater, mich und vielleicht Graf de Lerida etwas an.«
»Du meinst, dein Vater wird kein großes Geschrei machen, damit sich dein Bruder nicht gezwungen fühlt, deine Ehre wiederherzustellen? Damit wäre dein Ruf geschützt, und du würdest gleichzeitig bekommen, was du willst. Sehr clever, Mam’zelle.«
Celina schüttelte den Kopf. »Der Plan kann leicht schief gehen.«
»Vielleicht ist das ja schon passiert.« Suzette legte die Stirn in Falten. »Mortimer sagt, Denys sei noch immer nicht nach Hause gekommen. Mortimer hat die halbe
Nacht wach gelegen, weil er Angst hatte, die Glocke nicht zu hören. Heute Morgen hat er einen Blick in Denys’ Zimmer geworfen. Das Bett war leer und unberührt. Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache.«
Es konnte viele Gründe dafür geben, warum Denys nicht nach Hause gekommen war. Ein Ball, eine Soiree, eine Glückssträhne oder Pechsträhne beim Spiel, ein Hahnen- oder Hundekampf, eine Bullenhatz oder auch ein spontan verabredetes Pferderennen vor den Toren der Stadt - all das und noch viel mehr konnte einen jungen Gentleman davon abhalten, rechtzeitig den Heimweg anzutreten. Meist fand sich dann ein Bett in der Wohnung eines Kumpanen. Wie oft war Celina schon aufgewacht und hatte Hippolyte, Albert oder ein halbes Dutzend anderer junger Männer angetroffen, welche die Gastfreundschaft der Valliers in Anspruch nahmen! In arg zerdrückter Abendgarderobe wanderten sie dann auf der Suche nach einer Tasse Kaffee oder frischen Brötchen in die Küche und hielten sich dabei die brummenden Köpfe.
Aber Denys war nun schon seit über vierundzwanzig Stunden nicht zu Hause gewesen. Sonst kam er wenigstens zwischendurch, um sich frisch zu machen und die Wäsche zu wechseln.
»Hat er wirklich keinerlei Nachricht geschickt?«
»Nein.«
»Nicht einmal einen Laufburschen, der etwas ausrichten sollte? Bist du sicher?«
»Ich habe mich genau erkundigt. Kein Mensch hat Monsieur Denys gesehen oder etwas von ihm gehört.«
Celina nickte. Sie begann sich ernsthafte Sorgen um ihren Bruder zu machen. Dass er am vergangenen Abend nicht auf der Soiree erschienen war, sah ihm gar nicht ähnlich. Auch dass er keine Nachricht schickte, war ungewöhnlich. Celina kannte Denys als verlässlichen, aufmerksamen Menschen, der nicht wollte, dass man sich seinetwegen sorgte.
»Ist Papa denn zu Hause?«, fragte Celina schließlich. »Nein, Mam’zelle-«
Sie brauchten nicht darüber zu sprechen, wo er
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