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Raecher des Herzens

Titel: Raecher des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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glitten. Sie sah seine athletische Gestalt im warmen Schimmer der Kerze vor sich, dachte an den heißen Glanz in den dunklen Augen, deren Blick sich in die ihren bohrte, an den Kuss ...
    Nein, sie durfte sich nicht ablenken lassen, durfte sich nicht noch einmal der Versuchung aussetzen. Sie musste an ihren Bruder denken. Deshalb konnte ein Treffen mit Rio nur der allerletzte Strohhalm sein.
    Als der Vater endlich nach Hause kam, war Celina gerade im Begriff gewesen, eine Nachricht zu dem Haus in der Rue des Rampart zu schicken, in dem er sich mit seiner Geliebten traf. Celina eilte ihm entgegen, zog ihn in den Salon und schloss die Tür. Atemlos erklärte sie ihm, dass Denys verschwunden war und was sie deshalb unternommen hatte.
    »Celina, mein liebes Kind, du sorgst dich wegen nichts und wieder nichts. Es war voreilig, den jungen Ducolet um Hilfe zu bitten. Was wäre das für eine Welt, in der ein junger Mann nicht durch die Stadt ziehen könnte, ohne seiner Schwester über jeden Schritt Rechenschaft abzulegen?«
    »Aber Papa, Denys wurde nun schon seit zwei Tagen nirgends mehr gesehen. Müsste nicht wenigstens einer seiner Freunde wissen, wo er ist?«
    »Nicht unbedingt.« Monsieur Valliers Blick wanderte zu dem Beistelltisch, auf dem die neueste Ausgabe von L ’Abeille, der französischsprachigen Tageszeitung, lag. Während er nach dem Blatt griff, sagte er: »Du meinst es gut, Celina, das weiß ich. Aber die Sorge um deinen Bruder hat deinen Verstand getrübt.«
    »Selbst Monsieur Ducolet meinte, so kenne er Denys gar nicht.«
    »Und du hast ihn mit einer sinnlosen Suche beauftragt. Er ist ein hilfsbereiter junger Mann, ganz besonders, wenn eine junge Dame ihn um einen Gefallen bittet. Aber für eine Frau, die praktisch verlobt ist, schickt es sich nicht, sich einem Freund ihres Bruders anzuvertrauen. Warum hast du dich nicht an deinen Bräutigam, den Grafen, gewandt?«
    Auf diesen Gedanken wäre Celina nie im Leben gekommen. Auch jetzt konnte sie sich nicht vorstellen, wie der Graf ihr helfen sollte. »Im Gegensatz zum Graf de Lerida ist Monsieur Ducolet Denys’ Freund.«
    »Trotzdem. Es wird deinem Bräutigam nicht gefallen, dass du Besuche von jungen Männern empfängst, die nicht zur Familie gehören, selbst wenn diese Besuche einem guten Zweck dienen.«
    »Dieses Recht stünde ihm vielleicht zu, wenn wir wirklich verlobt wären«, sagte Celina trotzig. »Aber das sind wir nicht, und es ist recht unwahrscheinlich, dass es noch geschieht.«
    »Celina«, sagte ihr Vater streng.
    Nur mit Mühe gelang es ihr, nicht mit der Neuigkeit herauszuplatzen, dass sich gewisse Umstände verändert hatten und eine Ehe mit dem Grafen nunmehr unmöglich war. Doch dies war nicht der richtige Zeitpunkt für eine Beichte. Celina wollte nicht riskieren, in ihrem
    Zimmer eingesperrt zu werden. Denn von dort aus war es fast unmöglich, die Suche nach Denys weiter voranzutreiben. »Bitte, Papa«, sagte sie in flehendem Ton. »Ich bin mir fast sicher, dass Denys in Schwierigkeiten steckt. Willst du nicht irgendetwas tun, damit wir ihn finden?«
    Der Vater setzte sich und schlug die Zeitung auf. »Ich sage es dir jetzt zum letzten Mal: Lass den Jungen in Frieden. Benimm dich so wie immer und genieße deine letzten Tage als ledige Frau. Denys wird zurückkommen, sobald er es für richtig hält.«
    Celina vermutete, dass der Vater vor allem deshalb so ruppig war, weil sie ihn gleich bei seiner Heimkehr mit ihren Sorgen überfallen hatte. Außerdem spürte er sicher, wie sehr es ihr missfiel, dass er so viel Zeit bei seiner Mätresse verbrachte. Dass keiner von ihnen diese Gedanken offen aussprechen würde, verstand sich von selbst. Doch die Missstimmung lag wie ein Felsbrocken zwischen ihnen.
    Celina wandte sich ab und stapfte mit grimmiger Miene zur Tür. Fast hätte sie den Vater mit der Zeitung im Salon zurückgelassen. Doch im letzten Augenblick drehte sie sich noch einmal um. Sie starrte den Menschen an, dessen Tochter sie war, und sah in ihm zum ersten Mal kein Wesen von übergeordneter Autorität, sondern nur einen ganz gewöhnlichen Mann, der sich benahm wie jeder andere. Er war stur und er konnte sich täuschen. Er fällte Urteile und traf Entscheidungen, die vielleicht nicht richtig waren, und gab sich fragwürdigen Zerstreuungen hin, um den anhaltenden Schmerz über den Verlust seiner Lieben zu betäuben.
    »Papa?«
    Er blickte nicht einmal auf. »Was ist denn noch?«
    »Ist es dir denn einerlei, was mit Denys oder mit mir

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