Raecher des Herzens
an.«
»Selbstverständlich«, sagte Olivier grimmig. »Niemand wird merken, dass Sie nahezu kampfunfähig sind.«
Dreizehntes Kapitel
Am nächsten Morgen erhob sich Rio erst spät. In letzter Zeit waren die Nächte lang gewesen, und er hatte oft schon vor Tagesanbruch aus den Federn gemusst. Außerdem hatte Olivier ihm gegen den Schmerz in der Schulter in der Nacht noch mehrere Gläser alten Cognacs eingegossen. Es war Caid, der Rio schließlich weckte. Er balancierte ein kleines Tablett auf der Hand. Ein schiefes Lächeln ließ seine herben Züge ein wenig weicher aussehen als sonst.
»A!a vous cafe«, sagte er trocken. Das war der Gruß eines Sklaven, der die Aufgabe hatte, seinen Herrn am Morgen zu wecken. »Olivier sagte mir, du hättest gestern Abend gewisse Unannehmlichkeiten gehabt.«
»Das kann man wohl sagen.« Rio fuhr sich durchs Haar und über die Augen. Dann setzte er sich auf. Olivier war Caid ins Zimmer gefolgt. Eilig stopfte er Rio die Kopfkissen in den Rücken. Rio lehnte sich zurück und hätte vor Schmerz am liebsten laut aufgestöhnt.
Caid verzog das Gesicht zu einer mitleidigen Grimasse. »Wie geht es deiner Schulter?«
»Sie ist ziemlich steif.«
»Das überrascht mich nicht. Dabei musst du heute Unterricht geben.«
»Ja, aber ich werde das Studio heute geschlossen lassen. Es gibt noch andere Pflichten, die mich rufen. Für
die nächste Runde bin ich dann wieder bereit.« Die meisten Fechtmeister unterrichteten nur an drei Tagen in der Woche. Zwischendurch mussten sie sich von den Anstrengungen erholen.
»Was auch immer es ist, versuch dich zu schonen. Du musst deine Schulter auskurieren. Wer soll denn morgens in aller Frühe unter den Eichen für Unterhaltung sorgen, wenn du es nicht mehr kannst?«
»In diesem Fall musst du eben in meine Fußstapfen treten.«
»Vielen Dank. Aber ich demonstriere mein Können lieber unter weniger dramatischen Umständen.«
Ein anderer hätte Caids Worte als Schwäche deuten können, aber Rio kannte den Iren. Im Grunde war Caid ein friedfertiger Geselle. Er war groß wie ein Bär, lächelte gern, sprach mit leiser Stimme und ließ sich nicht leicht provozieren. Einmal in Rage entpuppte er sich jedoch schnell als brandgefährlich. »Gut«, sagte Rio. »Dann macht es dir sicher nichts aus, mir bei einer kleinen Aufgabe ein wenig zur Hand zu gehen.«
»Wie du meinst.« Caid ließ sich auf einem Stuhl am Fenster nieder. Er setzte einen Fuß auf die Stuhlkante und umfasste den Knöchel. Olivier nahm eine zweite Tasse vom Tablett und goss dampfenden Kaffee hinein. »Hmm, Havannabohnen«, sagte Caid. Dabei sog er genießerisch das köstliche Aroma ein.
Rio warf Olivier einen fragenden Blick zu. Olivier, der die meisten Einkäufe für den Haushalt tätigte, nickte. Zu Caid sagte Rio: »Bist du seit deiner Ankunft in New Orleans zum Kaffeekenner geworden?«
»Das lässt sich kaum vermeiden. Außerdem habe ich in der L’Abeille von dem Schiff aus Havanna und seiner Ladung gelesen. Es hat übrigens auch Wein an Bord, falls du deinen Vorrat ein wenig aufstocken möchtest. Man spricht von fünfzig Kisten Chateau Laffitte, ein Dutzend Flaschen die Kiste.«
»Und du beabsichtigst, in deinem Studio zukünftig Laffitte auszuschenken?«
»Im Leben nicht. Das würde mein Geldbeutel nicht zulassen. Außerdem wüssten die jungen Spunde, die sich bei mir tummeln, den guten Tropfen gar nicht zu schätzen. Eine Kiste St. Emiline und ein oder zwei Fässer Bordeaux tun es für das Studio auch.«
»Ich glaube, wir sollten ebenfalls Wein kaufen, solange noch nicht alles weg ist, nicht wahr, Olivier?«
»Ich kümmere mich darum«, sagte der Majordomo sofort.
»Vielleicht könntest du auch gleich Caids Bestellung für ihn aufgeben. Ich brauche ihn nämlich für eine andere Angelegenheit.«
»Gern.«
Caid legte den Kopf schief. »Was gibt es denn so Wichtiges? Heraus mit der Sprache, du machst mich neugierig.«
»Es geht um den jungen Vallier.«
»Was hat er denn jetzt schon wieder angestellt?«
»Das wüsste ich auch gern. Wenn er nicht wider Erwarten heute Nacht aufgetaucht ist, bricht nun der dritte Tag an, an dem er nicht mehr zu Hause gesehen wurde.«
»Seine holde Schwester hat dich wohl gebeten, ihn ausfindig zu machen? Oder gibt sie dir etwa die Schuld für sein Verschwinden?« »Das tue ich schon selbst«, sagte Rio. Dann erzählte er Caid von seinem Gespräch mit Denys Vallier.
Caid schürzte die Lippen und verengte die Augen zu Schlitzen. Er hörte
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