Rätsel des Nordens (Thenasia) (German Edition)
seine Ohren wie das schärfste Metzgermesser das Fleisch
eines frisch geschlachteten Tieres.
„Sterblicher. Sterblicher! Blickt
zu mir!“, wurde Regnir befohlen und er versuchte, zu gehorchen. Im gleichen
Moment wurde er hingegen von einem grellen Licht geblendet. „Ihr kennt mich
nicht und unsere Wege hätten sich niemals kreuzen dürfen, doch haben sie es
getan. In all den Jahren hatte ich noch nie ein Exemplar Eurer Art vor meiner
Nase. Endlich Abwechslung!“ Die Stimme lachte in einer Weise, dass Regnir ein
kalter Schauer durch Mark und Bein ging. „Nun gut. Schauen wir einmal, wohin
uns das dieses Mal führen wird. Immerhin habt Ihr jetzt die drei großen
Schritte getan. Wie nennt Ihr Euch, Sterblicher?“
„Ich … Mein Name ist Regnir, König
der Menschen“, antwortete er unsicher.
„König?“, fragte die grausame
Stimme verdutzt. „Ah, Ihr seid derjenige, der Karash-nag erschlagen hat. Ihr
habt dem Großork unter der Erde etwas genommen, das eigentlich mir gehört. Mir!
Denn ich bin Thalog Amol Ghalal, Großgott des Volks der Orks. Eigentlich müsste
ich Euch für diese Frechheit bestrafen …“ Wieder lachte die Stimme und Regnir
wollte weg. Einfach weg von dieser furchterregenden Erscheinung. Allerdings
konnte er nicht entfliehen. Unbekannte Mächte hielten ihn gefangen.
„Ich weiß, was Ihr denkt. Ich
möchte Euch ein Angebot machen. Ich kenne Euer Leben. Die Probleme in Eurem
ulkigen Völkchen. Der Zwist zwischen Eurer Krone und den Alten Häusern der
Edelleute. Und ich weiß auch um die Schäden, die Euch die Orks, meine
Schützlinge, gebracht haben. Mir ist nicht unbekannt, was mit Euren Eltern
geschehen ist. Ihr habt sie nur so kurze Zeit gekannt. Und so viele Probleme
beherrschen Euer Leben. Ich biete Euch die Gelegenheit, alles ins Reine zu
bringen.“
Als die Stimme dies sprach,
bemühte sie sich, freundlich zu wirken, wenngleich sie den kalten Grundton
nicht verwischen konnte.
„Ich biete Euch ewiges Leben an.
Ich biete Euch an, Tote Eures Wunsches in Eure Welt zurückkehren zu lassen. Ich
biete Euch an, zum mächtigsten König aller Zeiten zu machen, der seine
Widersacher in den Erdboden stampfen wird. Ich biete Euch an, der rechtmäßige
Träger meines Amulettes zu werden. Alles, was ich dafür verlange, ist eine
kleine Probe Eures Blutes, damit ich es veredeln kann. Was sagt Ihr, ‚König‘
der Menschen?“
Es war nicht zu überhören, wie
gehässig die Stimme Regnirs Titel aussprach. Dieser wappnete sein Herz und
lehnte den Vorschlag ohne Umschweife ab. Ihm dämmerte, dass der Ork, den er
erschlagen hatte, ein ähnliches Angebot unterbreitet bekommen hatte. Keineswegs
wollte Regnir so enden. Zu gut hatte er die schaurig entstellte Kreatur im
Gedächtnis. Ohnehin konnte eine Stimme, die so grausam klang, nichts Gutes im
Schilde führen.
„Was zögert Ihr, Sterblicher?
Erkennt Ihr das Ausmaß meiner Gnade nicht?“
Regnir stemmte sich in seinem
Willen gegen das Zureden der Stimme.
„Sterblicher! Antwortet! Oder ich
verspreche Euch, dass Ihr auf alle Zeit in Eurem gegenwärtigen Zustand gefangen
bleiben werdet!“
„Nein!“, rang sich der König das
Wort ab.
„Nein? Nein?!“ Der Großgott war
erbost. „Sterblicher! Glaubt Ihr, dass ich Euch wieder ziehen lasse? Dass ihr
in Eure popelige Stadt zurückkehren könnt, wie Ihr dort ausgezogen seid?
Nachdem, was Ihr getan habt? Nachdem Ihr mein Amulett entwendet habt? Nachdem
Ihr meine Güte verschmäht habt? Ihr wisst doch selbst nicht einmal, ob ihr noch
lebendig oder schon tot seid! Wie könnt Ihr es wagen …“
„Regnir! Regnir!“
„… Ihr undankbarer sterblicher
Wicht! Einfältiger Narr! Ich sehe Euch! Ich …“
„Regnir! Wach auf!“
Eine Ohrfeige sauste in des
Königs Gesicht nieder und er schlug die Augen auf. Er war wach. Er war wirklich
wach! Schweißgebadet lag er in seinem Bett und starrte in das angestrengte
Gesicht des Kanzlers.
„Thormir? Bist du das?“, fragte
Regnir zitternd.
„Ja, mein Junge. Ich bin’s.
Beruhige dich. Du hast uns einige Sorgen bereitet. So wie es jetzt scheint,
bist du wieder voll bei uns. Eine schöne Nachricht. Sag, wie fühlst du dich?“
Der König richtete sich ein wenig
auf. Seine Glieder waren schlaff und wurden von einem dumpfen Schmerz
durchzogen. Er atmete die frische Luft und antwortete dann:
„Unter normalen Umständen würde
ich sagen, dass mir elend zumute ist. Einfach elend. Aber nach allem, was ich
in meiner letzten Nacht geträumt habe, geht es mir
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