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Rätselhafte Umarmung

Rätselhafte Umarmung

Titel: Rätselhafte Umarmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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immer unzuverlässiger wurde. Der Panzer von Zorn und Entrüstung, den sie so oft angelegt hatte, war verschwunden, genauso plötzlich, wie ihr Gedächtnis verschwinden konnte.
    Ihr ganzes Leben war sie stark gewesen. Ganz allein hatte sie ihre Tochter großgezogen, nachdem ihr Mann getötet worden war. Nie hatte sie um Hilfe gebeten. Aber jetzt wandte sie sich instinktiv an ihre Tochter. In ihren Augen standen Entsetzen und Tränen. »Rachel, ich habe solche Angst.«
    Rachel nahm ihre Mütter in die Arme und hielt sie, so wie ihre Mutter sie als Kind gehalten hatte, wenn sie sich das Knie aufgeschlagen oder einen Alptraum gehabt hatte. Und sie tröstete Addie, so gut sie konnte, trauerte mit ihr und trauerte über ihren eigenen Verlust, Sie würde ihre Mutter verlieren. Addie würde nie wieder für sie beide sorgen können. Jetzt war das Rachels Aufgabe. In diesem Augenblick begriffen sie es beide.
    »Ich habe auch Angst«, flüsterte Rachel unter Tränen. »Aber wir werden es schaffen. Gemeinsam, so wie früher. Nur wir beide. Ich werde für dich sorgen. Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr.«
     
    Bryan blieb in der Tür stehen. Der Anblick ließ ihn in der Bewegung innehalten. Er hätte eigentlich ins Zimmer stürzen und Rachel von den Büchern wegzerren wollen, um mit ihr über das Grundstück zu spazieren. Er wollte ihr zeigen, daß ihr Leben nicht nur aus Geldsorgeh bestand. Aber es sah so aus, als wäre die Erklärung in diesem Augenblick überflüssig.
    Er wusste , daß er anständigerweise in den Flur zurücktreten und Rachel mit Addie allein lassen sollte, aber plötzlich erschien es ihm wichtig, Rachel so zu sehen - als liebende Tochter, als fürsorglicher Mensch, nicht peinlich berührt wegen ihrer kranken Mutter, sondern um einen Verlust trauernd, den ihr niemand ersetzen konnte.
    Noch wichtiger war aber vielleicht das Gefühl, das in ihm zum Leben erwachte, welches er die letzten Tage jedoch immer wieder verleugnet hatte. Er liebte Rachel Lindquist.
    Benommen trat er einen Schritt zurück, als hätte ihn die Erkenntnis wie ein Faustschlag getroffen. Er schlich aus dem Haus und marschierte mit ausgreifenden Schritten auf den Zaun zu, der entlang der Klippe verlief. Als er das rostige alte Geländer erreicht hatte, blieb er stehen und atmete tief schnaufend die Seeluft ein. Er krallte die Hände um zwei Speerspitzen, die die schmiedeeisernen Stangen schmückten, und drehte sie in seinen Handflächen, bis sich rostige Flocken in seine Haut rieben.
    Ohne ihn wirklich zu sehen, starrte er auf den Ozean hinaus. Eine graublaue Woge nach der anderen rollte heran. Fischerboote tupften als schwarze Punkte den Horizont, und Seemöwen segelten kreischend über den felsigen Strand unterhalb der Klippe.
    Wie hatte das nur so schnell geschehen können? Er wusste doch kaum etwas über sie. Nur daß sie ihre Mutter liebte, die sie vor fünf Jahren verstoßen hatte, und daß sie ihre Träume aufgegeben hatte und so süß und begehrenswert war. Wenn der Mond in ihre Augen schien, konnte man sehen, wie nötig sie es hatte, an ein Wunder zu glauben, und wie sehr sie sich davor fürchtete, eines zu erleben.
    Es schien ihm unmöglich, daß er sich verliebt hatte, obwohl er sich gerade erst dazu durchgerungen hatte, Rachel seine Hilfe anzubieten. Er hatte ihr bloß beistehen, sie ein bisschen von ihren Sorgen ablenken wollen. Aber sobald er sich ihr geöffnet hatte, hatte er nicht nur gegeben, sondern auch empfangen. Er konnte wieder fühlen. Jetzt waren Rachels Schmerzen auch seine Schmerzen, ihre Ängste auch seine Ängste.
    »Ich weiß nicht, ob ich stark genug bin, das noch mal durchzumachen«, flüsterte er.
    Doch, das bist du. Die Liebe gibt dir Kraft.
    Er dachte daran, wie Rachel ihre Mutter gehalten und sie unter
    Tränen getröstet hatte. Nichts war so mächtig wie die Liebe. Sie konnte Zeit und Zerfall, Leid und Liebeskummer, Stolz und Schmerz trotzen. Liebe war Magie.
    Bryans breite Schultern hoben sich, als er tief einatmete und die kühle Luft in seine Lungen strömen ließ. Eine tiefe, unerschütterliche Ruhe machte sich in ihm breit, gepaart mit einer Schicksalsergebenheit, die aus tiefstem Herzen kam. Es war vielleicht nicht klug oder logisch, daß er Rachel Lindquist liebte, aber er liebte sie, und wenn er den Zauber in ihr Leben zurückbringen konnte, dann würde er das tun.

Kapitel 7
    »Ich liebte ein blondes Mägdelein mit Haaren wie goldner Sonnenschein. Sie war so schön, ihr Herz war rein, doch nein,

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