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Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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studierte gerade die Gesprächsnotiz, die der Polizeiazubi vorher auf seinem Tisch abgelegt hatte.
    »Das ist ja komisch«, sagte er leise. »Der Besitzer vom Bahnhofskiosk hat hier angerufen und gesagt, dass er sich wundert, weil die Bank gegenüber immer noch zu hat, obwohl es schon halb zehn ist.«
    »Vielleicht haben die Betriebsausflug«, meinte Anne gelangweilt.
    »Nein, der vom Kiosk hat außerdem gesagt, dass das Auto vom Geschäftsführer auf dem Parkplatz von der Bank steht. Und das von einer anderen Mitarbeiterin auch. Er meint, er kennt die, sie heißt Frau Rüdel.«
    »Auch das muss nichts heißen.« Anne hatte für den heutigen Tag einfach jede Lust am Arbeiten verloren. Sie fühlte sich erschöpft und ausgelaugt.
    »Der Typ vom Kiosk hat sogar durch die Scheibe der Bank geschaut und an die Tür geklopft, aber er hat niemanden gesehen und aufgemacht hat auch niemand.«
    »Ja, und?«, kommentierte Anne genervt und schob sich ein Kaubonbon in den Mund.
    »Anne«, sagte Sepp Kastner eindringlich. »Diese Bank ist in den letzten Jahren zweimal überfallen worden.«
    »Ich weiß, Seppi«, erwiderte Anne kauend, »aber der Täter von damals hat fast sechs Jahre bekommen, der sitzt noch immer ein.«
    »Vielleicht haben’s ihn vorzeitig entlassen. Also ich meine, mir sollten da hinfahren.«
    Bei ihrer Ankunft wurde der Bahnhof gegenüber des Bankgebäudes von zwei recht unterschiedlichen Gruppen belagert: Da waren einerseits die Jugendlichen auf Schulausflug, die lasch auf dem Gehsteig herumhingen, und andererseits die pensionierten Wanderprofis, die entschlossenen Blicks ihre Bergschuhe schnürten.
    Dazwischen suchte ein verschwitzter, völlig gestresster Paketdienstmitarbeiter, beladen mit einem Paket, in dem mindestens ein Surfbrett oder zwei Paar Ski stecken mussten, nach dem Jagerhaus. Aber natürlich war am Bahnhof weit und breit kein Einheimischer zu sehen, bei dem er sich erkundigen hätte können, weshalb er den Karton wieder in seinen Lieferwagen schob und wegfuhr. Ein Verhalten, das wegen des radikalen Preiskampfes unter den Paketlieferbetrieben völlig alltäglich war. Es gab Menschen, die hielten für den seltenen Fall, dass sie ein Paket nicht selbst in den neuerdings sogenannten Postpoints oder Postagenturen abholen mussten, im Kühlschrank eine Flasche Oktoberfestbier zum Feiern vorrätig.
    Doch das stundenlange Anstehen beim Abholen der Sendungen hatte durchaus auch Vorteile: Hier bot sich die Gelegenheit, Menschen zwanglos und ohne Zeitdruck näher kennenzulernen, sie aus der Sicherheit der Anonymität heraus zu studieren. Dabei konnte es durchaus geschehen, dass sich Bayern und Bayerinnen ineinander verliebten. Oder man fand die Liebe seines Lebens unter den von nördlich der Donau her stammenden Ausländern und Ausländerinnen, die gerade ihre Ferien im Alpenland verbrachten und eine Postkarte verschicken wollten. Zwar hatte längst jeder Zweite ein tragbares Telefon, das in der Lage war, für seinen Besitzer Entscheidungen über Online-Freundschaften zu fällen (gefällt mir, gefällt mir nicht, oder eben englisch: like, like not et cetera), aber gedruckte und stimmungsvolle Ansichtskarten von dem sommerlichen See und seiner pittoresken Bergwelt zu verschicken, dazu waren diese Telefone noch nicht in der Lage. Und es hatten zudem noch genügend Menschen jener Spezies überlebt, die sich über Urlaubspostkarten mit Abbildungen von Gemsen, Wolpertingern und anderem Alpengetier freuten.
    Fröhlich flatterten die beiden Fahnen mit dem blau-weiß-orangefarbenen Logo der Genossenschaftsbank im vom See herwehenden Morgenwind. Doch das Geldinstitut war tatsächlich noch geschlossen.
    Anne und Sepp betraten den Vorraum mit dem bräunlich marmorierten Fußboden und pochten an die Panzerglastür, sie umrundeten einmal das komplette Gebäude, drückten die Klingel am Hintereingang, den sie über einen überdachten Durchgang erreicht hatten, und der das Bankgebäude mit dem Nachbargebäude verband, doch es regte sich nichts.
    »Normalerweise öffnen die um acht Uhr fünfzehn«, stellte Anne nach einem Blick auf die Öffnungszeiten fest. »Sepp, was machen wir?«
    Sepp Kastner blieb die Entscheidung vorerst erspart, denn auf den Parkplatz rollte ein Taxi, dem eine dünne Frau entstieg, die Anne auf gut vierzig Jahre schätzte. Die Dame trug ein graues Kostüm zu flachen grauen Schuhen, und sie steuerte, nachdem sie den Fahrer entlohnt hatte, zielstrebig auf die blau gerahmte Eingangstür der Bank

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