Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)
war. Nicht ihre Welt, aber wer’s mag …, dachte sich Anne. Sogar Britney Spears hatte Hanni Hirlwimmer schon einmal die Hand geschüttelt. Natürlich nur im Backstage-Bereich, aber immerhin. Im Tal fand man das alles äußerst beachtlich.
Der Mordfall, der Anne gezwungen hatte, sich mit dem Schaffen des charismatischen Alpencowboys auseinanderzusetzen, lag noch gar nicht lange zurück. Das Verbrechen hatte bundesweit, ja sogar bis in das arabische Emirat Ada Bhai für Schlagzeilen gesorgt.
»Wie viel Promille hat er gehabt?«, wollte Anne jetzt wissen.
»Drei Komma acht.«
»Oh«, staunte die Polizistin.
»Ja, der hat aber noch relativ gut geradeaus laufen …« Sepp Kastner konnte seinen Satz nicht vollenden, denn gerade hatten sie die Zellentür erreicht. Und das Geschrei des falschen Hanni Hirlwimmer war jetzt so laut, dass es alles andere übertönte. Kastner sperrte auf, woraufhin zur Überraschung der beiden Beamten sofort Ruhe einkehrte.
»Was schreist’ jetzt so herum?«, fragte der Polizist.
»Warum duzen Sie mich? Ich will hier raus!«
»Ja, musst’ dich halt anständig benehmen.«
»Tu ich ja!«
»Also, dann setzen Sie sich jetzt bitte und nennen uns Ihre Personalien, das hat ja gestern irgendwie nicht geklappt.« Anne Loop nahm auf der Bank mit der Bundeswehrdecke Platz. »Name?«
»Hirlwimmer«, antwortete der Mann mit der Vokuhila-Matte.
Anne schüttelte verzweifelt den Kopf. »Scheiße, Seppi, was ist das nur für ein Tag heute!«
Sepp Kastner zuckte mit den Schultern. Er hatte beim Aufstehen in der Früh eigentlich gute Laune gehabt, aber Annes Heulanfall eben hatte ihm doch zugesetzt. Nichts rührte ihn mehr als eine Frau, die weinte. Nicht einmal eine geräucherte Forelle aus dem Louisenthal mit frischer Meerrettichcreme konnte da mithalten. Deshalb beschloss Sepp, der ansonsten nicht als besonders handlungsfreudiger Mensch auffiel, dass man etwas tun musste: sich gegen das Unheil stemmen. Und so machte der Polizist mit dem schütteren Haar mehrere schnelle Schritte auf den immer noch stehenden Möchtegern-Schlagersänger zu, packte diesen mit beiden Händen am Kragen seines nicht mehr ganz weißen Trachtenhemds (darauf war Lippenstift in allen Rottönen zu sehen), ging mit seiner Nase ganz nah an das Gesicht des Hochstaplers heran und presste wütend hervor: »Mein lieber Scholli, wenn’st du jetzt weiter hier den Kaschper spielst, dann kommst du hier nicht raus. Mir brauchen deine Personalien. Jetzt! Und zwar die richtigen. Deinen Hirlwimmer-Scheiß kannst du dir sonst wo hinstecken.«
»Warum?«, fragte der Delinquent, was für Sepp Kastner schon ein halbes Schuldeingeständnis darstellte.
»Weil du einem ›Schtar‹ ein blaues Auge geschlagen hast, was für den echten Hanni praktisch bedeutet, dass er jetzt nicht nach Japan kann.«
»Und vergiss nicht das mit den Brüsten und dem Edding, Sepp«, ertönte Annes Stimme von hinten.
»Und das mit dem Edding«, fügte Sepp Kastner hinzu und vermied die Erwähnung der weiblichen Körperteile, er war in dieser Hinsicht ein wenig verklemmt.
»Was war da?«, fragte der falsche Sänger und klang aufrichtig verdutzt.
»Du hast den Frauen ins Dekolleté geschmiert.«
»Auf die Titten«, ergänzte Anne, »mit einem Edding.« Es klang empört.
Sepp Kastner ließ den Bösewicht los. »Also, jetzt, wie ist dein richtiger Name?«
»Hanni Hirlwimmer.«
In Kastners tiefstem Inneren fiel eine ganze Batterie Maibäume der Reihe nach um. Was gab es nur für seltene Deppen! Da war alles zu spät.
Noch bevor der Polizeiobermeister die Tür zur Zelle wieder zugesperrt hatte, hörte er den Mann in der Krachledernen erneut schreien. Allerdings, blöd war der falsche Hirlwimmer nicht, hatte er doch jetzt seinen Text modifiziert: »Lasst’s mich raus, ich bin ein Schtar, weil ich muss weg, zu meinem Flieger … ich muss nach Japan! Iiiiich muuuusss naaaach Jaapaaaaan!«, schallte es nun so laut durch die Polizeiinspektion, dass es sogar der Dienststellenleiter Kurt Nonnenmacher zwei Etagen weiter oben hören konnte.
Da der Insektenphobiker aber gerade einer dicken Schmeißfliege mit der polizeikellenförmigen Fliegenklatsche nachjagte, schenkte er den Rufen keine größere Beachtung. Eine Lederhose mit Cowboystiefeln macht noch keinen Schlagerstar.
»Wie lange willst du den jetzt dabehalten?«, fragte Anne, als die beiden wieder in ihrem Dienstzimmer saßen.
»Bis er sagt, wer er ist«, erwiderte Sepp Kastner gedankenverloren, denn er
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