Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)
die Pistole im Anschlag, drückte die Tür auf und war auch schon in der Bank verschwunden. Für einen Augenblick dachte Anne, dass der Dienststellenleiter vielleicht doch recht gehabt hatte: Hätte man die Bank nicht schon vorhin einfach stürmen müssen? Wäre dann der Spuk womöglich längst vorüber? Doch bereits einen Wimpernschlag später fiel im Inneren der Bank ein ohrenbetäubender Schuss, dann noch einer, es rumpelte hinter der halb geöffneten Tür, und Anne Loop, Sepp Kastner, Dr. Henrike Klamm und der ermittlungstaktische Novize Hobelberger hörten ein furchtbares Stöhnen. Das war zweifellos der Chef der für die fünf Seegemeinden zuständigen Polizeiinspektion. Dann erklang ein scharrendes, ja schleifendes Geräusch, und die Polizisten beobachteten fassungslos, wie Nonnenmacher aus dem Gebäude heraus in Deckung robbte.
»Sind Sie verletzt?«, fragte Anne bestürzt.
»So eine Bagage!« Ein hartes Wort, doch Nonnenmachers Schimpfen klang kraftlos. Wie ein nasser Sack blieb er vor dem Bankgebäude liegen. Blut war keines zu sehen.
»Kurt, bist du verletzt? Haben sie auf dich geschossen?«, wollte Sepp Kastner wissen und nahm das Handgelenk des am Boden liegenden bayerischen Kolosses, um ihm den Puls zu fühlen. So hatte er den Vorgesetzten noch nie gesehen.
»Das hast ja wohl gehört, Depp!«, blaffte Nonnenmacher ihn an.
»Kurt, dein Herz … das rast ja!«
»Ja, wundert’s dich?«, fragte Nonnenmacher, der auf dem Bauch, mit dem Gesicht nach unten lag. »Seit auf den Fisch-Alfred vom Louisenthal geschossen worden ist, war kein Einziger von uns mehr im Kreuzfeuer. Aber heute ist’s wieder so weit.«
Obwohl Anne Nonnenmachers Gesicht nicht sehen konnte, wusste sie intuitiv, dass der starke Mann weinte. Entschlossen stellte sie sich an die halb geöffnete Tür und rief in das Gebäude hinein: »Hallo, Sie da drinnen! Sie haben eben auf einen Polizisten geschossen!«
»Auf einen Inspektionschef sogar«, wimmerte Nonnenmacher, woraufhin Sepp Kastner ihn zärtlich an der Schulter tätschelte.
»Das tut hier nichts zur Sache«, zischte Anne, um dann, wieder in Ruflautstärke, fortzufahren: »Sie haben auf einen«, kurzes Zögern, »Polizisten geschossen. Was soll das? Wer sind Sie?«
Nach einem kurzen Moment der Stille ertönte tatsächlich eine Antwort: »Das ist hier ’n Banküberfall.«
»Eine Frau! Hochdeutsch!«, meinte Sepp Kastner trocken – und nach einem Blick auf den Sekundenzeiger seiner Uhr: »Puls hundertneunzig, du Kurt, jetzt mach ma einmal eine stabile Seitenlage, nicht, dass du uns noch einen Herzinfarkt kriegst hier auf dem Boden, wär doch schad um das ganze Bier, das du dann nicht mehr trinken könnt’st.«
Anne ließ sich durch Sepp Kastners blödsinniges Gerede nicht von ihrer Linie abbringen: »Und was wollen Sie? Ich meine, was sind Ihre Forderungen?« Ihre Stimme war jetzt ruhig und klar.
»Den zweiten Tresorschlüssel«, erklang die Stimme hinter der Tür. Anne fand, dass sie irgendwie frech klang.
»Eine ostfriesische Bankräuberin, unglaublich«, kommentierte Sepp Kastner erstaunt. Sogar der von einem Herzinfarkt bedrohte Kurt Nonnenmacher hob den Kopf ein wenig, um zu schauen, ob man etwas von der Gewalttäterin mit dem kecken norddeutschen Akzent sehen konnte.
»Was wollen Sie mit dem zweiten Tresorschlüssel?«, hielt Anne das Gespräch am Laufen. Polizeipsychologie.
»Was ist ’n das für ’ne dödelige Dödelfrage?«
»Dödelige Dödelfrage«, wiederholte Sepp Kastner. Wer sprach denn bitte so? Die Simpsons? Die Muppets? Das musste schon eine besondere Bankräuberin sein.
»Beantworten Sie meine Frage!« Anne ließ nicht locker.
Nonnenmacher rappelte sich auf, Sepp Kastner bot ihm ein gebrauchtes Papiertaschentuch an, aber der Inspektionschef wischte sich mit dem behaarten Arm das Gesicht ab, sein Hemd hatte er wegen der Sommerhitze schon am Morgen hochgekrempelt.
»Weil wir ohne den Schlüssel nicht an die Kohle kommen, Mann!«, blaffte die Bankräuberin zurück.
»Frau Loop ist eine Frau«, sagte leise Sepp Kastner, der durchaus noch Gefühle für die attraktive Kollegin hegte. Und wenn die keine Frau war …
Die Bankräuberin schickte unverzüglich eine Drohung hinterher: »Und wenn der Schlüssel jetzt nicht gleich da ist, dann passiert was. Wir haben Geiseln und Waffen. Wir knallen die alle ab, wenn jetzt hier nicht bald was vorwärtsgeht!«
Anne wandte sich dem Inspektionschef zu. »Shit, Chef, ich glaube, da haben wir uns ein richtig
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