Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)
wieder das Kommando zu übernehmen. »Wir brauchen alles, bloß kein Aufsehen. Wenn aber die Kripo-Hanswurste aus der Stadt daherkommen, wird das wieder so wie letztes Jahr mit dem Scheich und der nackerten Leiche beim Seefest. Da war auch die Hölle los. Und was meint’s ihr, wie mir unsere Bürgermeister aufs Dach steigen, wenn das mit der öffentlichen Mordbrennerei in diesem Jahr schon wieder losgeht? Diese Sache lösen mir talintern, diplomatisch, traditionell und geschickt, so wie man es von uns gewöhnt ist, ganz klar. Das nehm ich jetzt einmal voll und ganz auf meine Kappe.«
Eine Dreiviertelstunde später stand Kripochef Sebastian Schönwetter auf dem Parkplatz und erteilte erste Anweisungen. Anne hatte ihn in einem unbeobachteten Moment – während Nonnenmacher sich zur Beruhigung eine weitere Leberkässemmel im nahen Dorfladen besorgt hatte – angerufen.
Als der Inspektionsleiter des Konkurrenten aus der Kreisstadt ansichtig wurde, nahm sein Gesicht für einen Augenblick einen äußerst grantigen Ausdruck an. Das folgende Wortgefecht war kurz, aber heftig. Es fielen Worte wie »Krautscheißer«, »Saubeutel« und »Stadtfrack« (aus Nonnenmachers Mund) sowie »Bauernschädel«, »Grattler« und »Wurznsepp« (so Schönwetter). Solche Ausdrücke waren für den Kripochef, der sonst eher dialektfrei sprach, ungewöhnlich. Aber wer in der bayerischen Provinz verbal überleben wollte, tat gut daran, wenn er einige Schlüsselwörter mit der Treffsicherheit eines Schnellfeuergewehrs abschießen konnte.
Nach dem kurzen Duell zwischen Kripo und Landpolizei ging man zur Tagesordnung über. Schließlich waren hier Profis unter sich, und es ging – so beurteilte es auch der »Stadtfrack« Schönwetter – um die widerrechtliche und bewaffnete Inbesitznahme einer Bank, mithin um ein Verbrechen mindestens der Windstärke acht; es herrschte Lebensgefahr.
Man einigte sich darauf, möglichst wenig Wirbel um den Bankraub zu machen. Im Idealfall konnte man das Ganze abwickeln, ohne dass ein einziger Sommerfrischler im Tischdeckenhemd etwas davon mitbekam.
Zur Verwirklichung dieses Ziels musste als Erstes eine Operationszentrale für die am Einsatz beteiligten Polizisten eingerichtet werden. Doch wie konnte man mitten in einem idyllischen bayerischen Seedorf eine solche Schaltstelle installieren, ohne dadurch Urlauber abzuschrecken und Schaulustige sowie Sensationspresse anzuziehen?
Die Aufstellung eines Polizeibusses kam von vornherein nicht infrage, denn das wäre einfach zu auffällig gewesen. Nonnenmacher schlug zwar vor, man könnte die Meldung lancieren, wonach der Motor des Busses zufällig just in dem Moment seinen Geist aufgegeben habe, als der fürs Steuern des Gefährts eingeteilte Beamte Geld habe abheben wollen. Und weil der bayerische Ministerpräsident das Sparziel ausgegeben habe, dass das ehemalige Königreich bis ins Jahr 2030 schuldenfrei sein müsse, würden nun alle Mittel zusammengezogen, auch hier im Landkreis. Für die Reparatur eines Polizeibusses habe der Staatshaushalt derzeit aber keine Mittel übrig.
Keiner der Anwesenden glaubte jedoch, dass diese Täuschung funktionieren könne, wohingegen man nicht daran zweifelte, dass die bayerische Staatsregierung den anvisierten Kraftakt der Sparsamkeit schaffen würde. Denn was ein bayerischer Ministerpräsident vorhersagt, tritt praktisch immer ein.
Sepp Kastner hatte danach die Idee ins Spiel gebracht, ein Polizeizelt aufzubauen und so zu tun, als finde demnächst auf dem Bankparkplatz eine Verkehrserziehung mit Fahrradprüfung für Grundschüler statt. Doch richtigerweise fragte der Polizeiazubi Hobelberger in die Runde, was man tun würde, falls tatsächlich Grundschullehrerinnen anmarschiert kämen, um ihre Klassen für die Verkehrserziehung anzumelden. Die Ermittler waren sich einig, dass mit engagierten Grundschullehrerinnen noch weniger zu spaßen sei als mit Ministerpräsidenten und daher eine andere Lösung gefunden werden müsse.
Auch Annes Vorschlag, einen Stand aufzustellen, an dem Räucherfisch verkauft wurde, man aber hinter einer doppelten Wand ein kleines Büro für die Polizei einrichten könne, verwarf man.
»Also, ich ess ja wirklich gerne unsere geräucherten Renken und Forellen«, meinte Sepp Kastner, »aber in dem Rauchgestank die ganze Zeit arbeiten?« Diese Einschätzung teilte auch Sebastian Schönwetter, der ansonsten Fisch sehr schätzte, weil er als Sportler von Eiweiß abhängig war wie ein Süßwasseraal vom
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