Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)
ein Kollege ihm an dem einzigen Computer der Inspektion, der das polizeiliche Intranet verlassen konnte, »diese Internetzhomepage« gezeigt habe, und – »das ist ja unerhört!«.
»Warum?«, fragte Anne erstaunt.
»Ja, die haben ja Forderungen, die spinnen ja wohl! Ich glaub’ bald, das sind Kommunisten.«
Anne verstand gar nichts. »Wieso?«
»Hier steht:«, Nonnenmacher las offensichtlich vor, was er am Computer vor sich sah, »›Wir fordern ein Ende der Schuldenwirtschaft, weil sie die Zukunft der Menschheit, vor allem der jungen Menschen, bedroht und Krieg bringt. Ein Ende der Ausbeutung der Massen und eine Beteiligung von Mitarbeitern an Unternehmensgewinnen. Eine gerechte Bezahlung, vor allem auch für Praktikanten. Ein Ende der umweltzerstörenden Politik und Wirtschaft. Weniger Wohlstand, aber genügend für alle.‹ Die spinnen ja wohl! Und für so einen Schmarren gefährden die Menschenleben!« Der Dienststellenleiter war außer sich. »Wie soll man denn einem Praktikanten etwas bezahlen, der kann doch noch nix!«
»So meinen die das ja vielleicht gar nicht«, entgegnete Anne beschwichtigend.
Doch Nonnenmacher ließ sich nicht beruhigen: »Wenn ich jetzt, nur mal als Beispiel, unserem Lehrling, dem Hobelberger, ein Gehalt bezahle, wie ich eines bekomme, dann können mir die Polizei ja gleich zusperren. Der Hobelberger kann ja nix! Und die Polizei pfeift geldmäßig eh schon aus dem letzten Loch. Also, so weit kommt’s noch!«
»Aber so ist das doch gar nicht …«, wollte Anne einwenden, doch Nonnenmacher schnitt ihr das Wort ab: »Dann, nächste Forderung: ›Ende der Schuldenwirtschaft‹! Wie soll sich der kleine Mann dann bitte ein Eigenheim kaufen, wenn er keine Schulden machen darf? Ha? Wie soll das gehen?«
»Es geht hier bei den Schulden eher um Banken und Unternehmen und Staaten, denke ich.«
Doch Nonnenmacher überging Annes Einwand: »Und warum bringen Schulden Krieg? Also, selten habe ich so einen Unsinn gehört.« Annes Vorgesetzter atmete schwer. »Umweltschutz, ja gut, aber darum kümmert sich doch die Regierung. Mülltrennung, Katalysator, Papiersammlung, mir machen doch alle Umweltschutz. Sogar aus der Atomkraft steigt Bayern aus.«
»Deutschland«, meinte Anne.
»Aber Bayern allen voran, wie immer«, belehrte Nonnenmacher seine Mitarbeiterin. Er war stolz auf seinen Freistaat. Dann machte er eine Pause, vermutlich las er den Text, der ihn derart provozierte, noch einmal, denn dann platzte er erneut hervor: »›… die Zukunft der Menschheit, vor allem der jungen Menschen …‹, die jungen Menschen sollen erst einmal etwas leisten! Arbeiten. Fleißig sein. Und nicht Banken überfallen und unschuldige Menschen in Gefahr bringen!«
»Viele junge Menschen bekommen aber gar nicht mehr die Chance, etwas zu leisten«, wandte Anne vorsichtig ein. »Weil sie keine Arbeit finden. In Spanien liegt die Arbeitslosigkeit bei über zwanzig Prozent.«
»Ja, in Spanien!«, tönte der Dienststellenleiter. »Der Spanier ist ja auch ein fauler Hund! Und außerdem: Was juckt mich Spanien?« Jetzt brüllte Nonnenmacher ins Telefon: »Mia san Bayern! Mia san mia!«
»Ich weiß nicht recht …«, sagte Anne leise.
»Frau Loop«, fragte er jetzt provozierend. »Sympathisieren Sie gar mit diesen Verbrechern? Sie, da kriegen Sie fei Probleme!«
»Ich finde die Forderungen, die Sie da vorgelesen haben, jetzt aber nicht so abwegig«, meinte Anne.
»Das Einzige, was ich vernünftig finden tät’, ist, dass Mitarbeiter an Unternehmensgewinnen beteiligt werden! Da täte meine Helga, jetzt nur als Beispiel – die hilft ja manchmal in der Küche vom Dingshotel –, auch mehr Geld kriegen fürs Arbeiten und nicht bloß der Rosenbauer, der Hoteldirektor, der feine Herr. Selber fährt er mit einem Rennauto umeinander, aber die Helga, ohne die der Gast in seinem Urlaub einen Saufraß essen müsst, die kriegt fast nix und fährt Opel, die wo im Übrigen auch bald pleite sind. Da fragt man sich schon …«
»Na, sehen Sie«, meinte Anne begütigend.
»Ja, nix seh ich da! Man nimmt keine Geiseln, sondern man redet!«
»Und wenn keiner zuhört?«
»Dann muss man halt lauter reden.«
Bevor Anne erneut etwas einwenden konnte, fuhr der Lieferwagen eines Paketdienstes vor.
»Herr Nonnenmacher, ich muss jetzt aufhören, da kommt eine Lieferung.«
»Was für eine Lieferung?«, wollte der Inspektionschef vom See wissen, doch Anne hatte bereits die rote Auflegetaste ihres Mobiltelefons gedrückt. Schnell
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