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Rain Song

Rain Song

Titel: Rain Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Flussebene des Waatch River, kam durch ein kurzes Waldstück und bog in den Ort. Neah Bay war nicht größer als ein Dorf, lang gezogen und eingeklemmt zwischen Wald und Meer. Die Holzhäuser standen verstreut an der Hauptstraße und kleineren Nebenstraßen. Manche hatte der Seewind mit einer silbernen Patina versehen, einige leuchteten in einem frischen Anstrich.
    Hanna kam an der kleinen Klinik vorbei und an einer der drei Kirchen. Sie lenkte den Chevy auf die Hauptstraße, die am Hafen entlangführte, und staunte. Am Morgen war ihr das gar nicht aufgefallen, aber im Hafen lagen viele kleine offene Sportboote, die definitiv nicht Makah-Fischern gehörten. Ein neues Hafengebäude trug die Aufschrift Makah Marina.
    Neah Bay hatte einen Jachthafen.
    Sie fuhr rechts ran und parkte vor dem Clamshell Motel. Als Hanna ausstieg, entdeckte sie das kleine Holzschild, das unter der beleuchteten Werbetafel hing. Belegt.
    Belegt? Alle Zimmer? In diesem Nest?, zweifelte sie und betrat das Motel.
    Eine Türglocke ertönte und eine rundliche Indianerin mit einem hübschen Mondgesicht kam aus einem Raum hinter der Rezeption. Bedauernd schüttelte sie den Kopf, noch bevor Hanna etwas sagen konnte.
    »Wir haben keine Zimmer mehr frei, tut mir leid.«
    Es brauchte einen Moment, bis Hanna begriff, dass das Belegt-Schild kein Irrtum war. Die Tatsache, dass sie im einzigen Motel von Neah Bay kein Bett finden würde, raubte ihr den letzten Funken Energie und sie musste sich am Tresen festhalten, da ihre Beine sie auf einmal nicht mehr trugen.
    »Gibt es eine andere Möglichkeit, wo ich unterkommen könnte?«, fragte sie.
    Wieder schüttelte die Indianerin den Kopf. »Es ist Wochenende und in Sekiu findet ein großes Bootstreffen statt. Ich fürchte, Sie werden kein Glück haben. Entlang der Küste ist alles ausgebucht.«
    Hanna erinnerte sich, Plakate von diesem Bootsfest gesehen zu haben, als sie am frühen Morgen durch den kleinen Ort Sekiu gefahren war, aber sie hatte sich nichts dabei gedacht. Sie warf einen Blick auf die Uhr über der Rezeption. Es war kurz vor fünf und sie hatte seit zwei Tagen nicht mehr richtig geschlafen.
    Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals.
    »Tut mir leid«, sagte die Indianerin noch einmal, aber sie sah nicht so aus, als ob sie das wirklich meinen würde. Hanna verließ fluchtartig das Motel. Draußen hatte der Regen wieder zugenommen. Sie setzte sich ins Auto und dachte darüber nach, was sie jetzt tun sollte. Sie war todmüde und vollkommen erledigt. Der Gedanke, noch einmal an diesem Tag die sich gefährlich schlängelnde Küstenstraße bis nach Pillar Point oder weiter fahren zu müssen, gefiel ihr gar nicht. Sie war dem Tod von der Schippe gesprungen und wollte das Schicksal nicht noch einmal herausfordern. Eine Welle von Verzweiflung erfasste Hanna, als ihr Blick auf den Zettel mit Gregs Telefonnummer fiel, der auf dem Beifahrersitz lag.
    Entschlossen startete sie den Motor und fuhr auf den Parkplatz vor Washburnes Supermarkt, einem großen flachen Gebäude in der Mitte des Ortes. Vor dem Eingang standen zwei bunt bemalte Wappenpfähle, die eindeutig nicht von Jim stammten, denn er bemalte seine Pfähle nicht – niemals.
    Hanna stieg aus und strebte auf eines der Telefone neben dem Eingang zu. Sie holte tief Luft und wählte Gregs Nummer. Gleich beim zweiten Klingeln war er am Apparat. Hanna schilderte ihm die Situation und entschuldigte sich dafür, dass sie ihn erneut belästigte.
    »Von wo aus rufst du an?«, fragte er.
    »Vom Supermarkt.«
    »Dann bleib, wo du bist. Ich bin in zwanzig Minuten bei dir.«

4. Kapitel
    Draußen regnete es in Strömen. Nach seiner täglichen Patrouillenfahrt durch das Reservat, auf der er wie üblich seinem Freund Dan Hadlock in der Ozette-Rangerstation einen Besuch abgestattet hatte, war Bill noch einmal auf das kleine Polizeirevier in Neah Bay zurückgekehrt.
    Auf seinen Patrouillen brauchte der Sheriff meist nichts weiter tun, als die Augen offen zu halten. Manchmal ertappte er jemanden, der unerlaubt jagte oder fischte. Es gab Weiße, die glaubten, sie könnten ohne Erlaubnis auf Indianerland ihrer Leidenschaft frönen. Hier und da erwischte er auch einen Verkehrssünder und konnte die Stammeskasse mit einem saftigen Bußgeld auffüllen. Die Strafen für Wilderei und Raserei im Reservat waren hoch. Die Ertappten jammerten meistens in den höchsten Tönen, aber Bill blieb hart – jedenfalls, wenn es sich bei den Sündern um Weiße handelte.
    Das kleine

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