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Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer

Titel: Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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umsonst gewesen, nicht wahr? Dann wäre ich nur wieder Thymara, die mit eingezogenem Schwanz zurück nach Hause rennt, in ihres Vaters Haus lebt und unter der Fuchtel ihrer Mutter steht.«
    Er runzelte die Stirn. »›Nur Thymara.‹ Ich denke nicht, dass das etwas Schlechtes ist. Was möchtest du denn sein?«
    Diese Frage brachte sie aus der Fassung. »Ich weiß nicht. Aber ich weiß, dass ich mehr als nur die Tochter meines Vaters sein will. Ich möchte mich irgendwie beweisen. Das habe ich meinem Vater gesagt, als er mich gefragt hat, ob ich bei dieser Expedition teilnehmen will. Und das ist noch immer so.« Sie erreichten den nächsten Stamm, und Thymara krallte sich an der Borke fest und begann, daran hinaufzuklettern. Die Klauen, die sie in Trehaug als Ausgestoßene gebrandmarkt hatten, stellten hier vielleicht ihre Rettung dar, dachte sie bei sich.
    Tats kam etwas langsamer nach. Als Thymara einen geeigneten Ast erreichte, hielt sie an und wartete auf ihn. Mit schweißgebadetem Gesicht kam er bei ihr an. »Ich dachte immer, so etwas würde es nur bei Jungs geben.«
    »Was?«
    »Dass wir uns beweisen müssen, damit die Leute wissen, dass wir Männer und keine Jungs mehr sind.«
    »Wieso sollte es einem Mädchen nicht genauso gehen?« Ihr Blick erhaschte ein gelbes Schimmern, und sie deutete darauf. Tats nickte. Um einen Ast, der über den Fluss hinausragte, wand sich eine schmarotzende Ranke. Das Gewicht gelber Früchte zog sowohl die Ranke als auch den Ast nach unten. Der Zweig schwankte, und Thymara sah Geflatter. Wenn Vögel von den Früchten fraßen, war dies ein sicheres Zeichen dafür, dass sie reif waren. »Ich gehe raus«, erklärte sie ihm. »Ich weiß nicht, ob die Äste uns beide aushalten.«
    »Ich werd’s herausfinden«, entgegnete er.
    »Das ist deine Sache. Aber komm nicht zu dicht an mich heran.«
    »Ich bin vorsichtig und bleibe auf einem eigenen Ast.«
    So machte er es. Während sie auf ihrem Ast entlangging, wechselte er auf einen anderen. Bald kauerte sie sich hin und schlug die Klauen in die Rinde, um weiter auf die Ranke zuzurobben. Je weiter sie sich dem Ende näherte, desto mehr bog sich der Ast herab.
    »Es geht ganz schön tief hinunter bis zum Fluss, und der ist an der Stelle ziemlich flach«, warnte Tats.
    »Als ob ich das nicht wüsste«, grummelte sie. Sie sah zu ihm hinüber. Er lag auf dem Bauch und hangelte sich Stück für Stück nach vorn. Es war ihm anzusehen, dass er Angst hatte. Und ihr war bewusst, dass er erst umkehren würde, wenn sie es auch tat.
    Um sich zu beweisen.
    »Wieso sollte ein Mädchen sich nicht beweisen wollen?«
    »Nun.« Er ächzte und schob sich ein weiteres Stück nach vorn. Sie konnte nicht umhin, seinen Mumm zu bewundern. Denn er war schwerer als sie, und sein Ast bog sich erheblich mehr unter seinem Gewicht. »Ein Mädchen muss sich nicht beweisen. Niemand erwartet es von ihr. Sie muss einfach nur, du weißt schon, ein Mädchen sein.«
    »Und heiraten und Kinder kriegen«, ergänzte sie.
    »Nun. So ähnlich. Nicht gleich auf der Stelle. Das mit den Kindern. Aber, nun, ich glaube, dass niemand von einem Mädchen erwartet, dass …«
    »Dass sie etwas tut«, ergänzte sie wiederum. Weiter hinaus wagte sie sich nicht, aber die Früchte waren noch immer außerhalb ihrer Reichweite. Sie streckte den Arm aus und griff vorsichtig nach einem Rankenblatt. Langsam zog sie es zu sich heran und achtete darauf, dass das Blatt dabei nicht abriss. Als es nahe genug heran war, fasste sie mit der anderen Hand die Ranke selbst. Behutsam robbte sie auf dem Ast zurück und zerrte die Ranke mit sich. Die meisten Baumschmarotzer waren biegsam, aber robust. Deshalb konnte sie die Ranke zu sich heranziehen und so viele Früchte davon abbrechen, wie sie wollte.
    Tats sah, was sie tat, und es sprach für seine Intelligenz, dass er sogleich umkehrte und sein Leben nicht weiter aufs Spiel setzte. Er seufzte leise, während er sie beobachtete. »Du weißt, was ich meine.«
    »Das weiß ich. Bei den ersten Händlern war das aber noch anders. Frauen zählten zu den tüchtigsten unter den ersten Siedlern. Das mussten sie auch sein, nicht nur, um selbst zu überleben, sondern auch, um ihre Kinder großzuziehen.«
    »Dann haben sich die Mädchen vielleicht dadurch bewiesen, dass sie Kinder hatten«, stellte er mit einer Spur Triumph in der Stimme fest.
    »Vielleicht«, räumte sie ein. »Zu einem gewissen Grad. Aber das war, bevor eine der Baumstädte gebaut wurde, bevor Trehaug

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