Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
uns alle damit einverstanden erklärt. Sie soll ihre Entscheidung treffen, und dann halten wir uns alle daran.«
»Ich habe nicht …«, fing Tats an, aber Thymara unterbrach ihn, indem sie die Hand hochriss. Sie sah die beiden nacheinander an. »Was Greft gesagt hat«, wiederholte sie, mit drohendem Unterton.
Nortel ließ den Blick auf Thymara ruhen. »Er sagte, dass wir alle nach den Regeln spielen und deine Lage nicht ausnutzen sollen.« Er sah wieder zu Tats. »Aber das machst du gerade, oder nicht? Du nutzt aus, dass ihr alte Freunde seid und dass sie um Rapskal trauert. Du nimmst das alles als Vorwand, um die ganze Zeit bei ihr zu sein und lässt den andern nicht einmal die Möglichkeit, mit ihr zu reden.«
»Ich bin mit ihr Früchte sammeln gegangen. Weil wir viel Jagdgerät verloren haben. Solange es möglich ist, müssen wir so viel Essbares wie möglich sammeln.« Tats sprach mit ruhiger Stimme. Obwohl seine Worte besonnen waren, funkelten seine Augen wütend. Plötzlich wurde ihr klar, dass es sich um eine Herausforderung handelte. Nortels Brust hob sich, und in seinen grünen Augen blitzte es. Auf einmal erinnerte er sie an seinen Drachen. Und jetzt begriff sie, womit sie es hier zu tun hatte: Einem Mann, der jeden herausforderte, der ein Recht auf sie als Paarungspartnerin beanspruchte. Ein eigenartiger Schauer durchlief sie. Ihr Herz machte einen Satz und raste, und sie spürte, wie sie errötete.
»Hört auf«, knurrte sie, meinte damit aber nicht nur die beiden Jungen, sondern auch sich selbst. Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Tats auf Nortels Herausforderung reagierte. »Mir ist vollkommen egal, was für einen Blödsinn Greft erzählt hat. Er kann keine Regeln aufstellen, wer wann mit mir reden darf. Noch kann er mich zwingen, eine ›Entscheidung‹ zu treffen, die nur in seinem Kopf existiert. Ich habe nicht die Absicht, mich für irgendeinen von euch zu entscheiden. Jetzt nicht und womöglich niemals.«
Nortel fuhr sich mit der Zunge über die dünnen Lippen und sagte vorwurfsvoll zu Tats: »Du hast etwas zu ihr gesagt, stimmt’s? Etwas, weshalb sie gegen den Vorschlag ist.«
»Nein, hab ich nicht!«
»Nortel! Sprich mit mir, nicht mit ihm!«
Sein Blick irrte zwischen ihnen hin und her. »Genau das wollte ich ja tun. Hau ab, Tats! Thymara möchte mit mir reden.«
»Das hättest du wohl gerne!«
»Aufhören!« Es ärgerte sie, dass ihre Stimme schrill wurde und mitten im Wort brach. Denn das klang hysterisch und ängstlich, wo sie in Wahrheit wütend war. »Ich will das nicht«, sagte sie und bemühte sich um einen ruhigen, vernünftigen Tonfall. »Das beeindruckt mich nicht im Geringsten.«
Es war, als hätte sie den Mund gar nicht aufgemacht. Nortel straffte die Schultern und beugte sich ein wenig zur Seite, um an ihr vorbei Tats anstarren zu können. »Ich kann dir Beine machen, wenn du es drauf anlegst«, erklärte er.
»Dann lass mal sehen.«
Plötzlich war sie von den beiden angewidert. »Dann kämpft eben, wenn ihr wollt«, verkündete sie. »Damit beweist ihr mir gar nichts – oder sonst irgendjemandem. Und es wird nichts ändern.«
Sie klemmte die Tragetasche fest unter den Arm, schätzte die Entfernung zum nächsten Ast ab und sprang hinab. Der Abstand war nicht weit, und ihre Klauen waren ausgefahren und bereit. Vielleicht lag es an dem schweren Sack, dass sie dennoch das Gleichgewicht verlor. Jedenfalls kam sie nicht genau in der Mitte des Asts auf, rutschte ab und stürzte mit einem Aufschrei in die Tiefe.
Sie fiel nur ein halbes Dutzend Schritte, bevor sie mit ausgestreckten Händen einen Ast zu fassen bekam. Mit jahrelanger Übung bohrten sich ihre Klauen in das Holz, sodass sie unter dem Ast hindurchschwang und plötzlich auf ihm saß. Doch sie krümmte sich sofort zusammen und knirschte vor Schmerz mit den Zähnen. Als sie abgerutscht war, hatten sich ihre Rückenmuskeln bei einer raschen Bewegung verspannt. Die Wunde brannte, als wäre sie von Neuem aufgerissen. Zwar war die Verletzung nicht gerade angenehm gewesen, aber wenigstens hatte sie sich ein wenig beruhigt und sogar begonnen abzuheilen. Jetzt fühlte sie sich nicht nur an, als wäre sie aufgeplatzt, sondern als hätte sich darin etwas verklemmt. Vorsichtig schob sie die Hand auf den Rücken, doch brachte sie die Bewegung nicht zu Ende, denn es tat zu sehr weh. Sie konnte noch nicht einmal ertasten, ob sie blutete.
Über ihr riefen die beiden Jungen ihren Namen, und dann warfen sie
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