Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
zurückkam. Sie wollte ihn auch nicht tot sehen, aber wenn sie ihn mit einem Wunsch nach Bingtown hätte befördern können, hätte sie das binnen eines Wimpernschlags getan.
Sechsundzwanzigster Tag des Gebetsmonds
IM SECHSTEN JAHR DES UNABHÄNGIGEN HÄNDLERBUNDS
Von Erek, Vogelwart in Bingtown,
an Detozi, Vogelwart in Trehaug
Eine Nachricht von Erek, dem Vogelwart in Bingtown, an Detozi, Vogelwart in Trehaug.
In der versiegelten Dose befinden sich die Reisepapiere für den Lehrling Reyall, die er benötigt, um zu seiner Familie heimzureisen und auf Kosten der Vogelwarte einen angemessenen Zeitraum zu trauern. Eine Lieferung aus fünfundzwanzig Tauben und sechs Königstauben wurde Reyall auf seiner Reise anvertraut. Mit unserem tiefsten Mitleid und innigster Hochachtung.
12
Das Medaillon
I ch habe einen Menschen gefressen! Ich habe den Jäger gefressen!« Relpda war siegestrunken. Sie posaunte die Neuigkeit hinaus, noch ehe sie bei den anderen angekommen war. Dann erst watete sie durchs flache Wasser, kletterte aufs morastige Ufer und grüßte die Drachen. »Er hat meinen Hüter bedroht! Wir haben gegen ihn gekämpft und ihn gefressen!« Was sie dann sagte, brachte die aufgescheuchten Drachen noch mehr aus der Fassung. »Mein Hüter hat seinen Wert bewiesen. Er hat mein Blut getrunken, um mit mir sprechen zu können, und nun ist er mein. Ich werde einen Elderling aus ihm machen, den ersten einer neuen Gattung.«
»Darüber haben wir noch nicht beraten!«, beschwerte sich Mercor.
»Du hast ihm dein Blut gegeben?«
»Wie willst du ihn denn zu einem Elderling machen?«
»Worüber redet ihr denn?«
»Ruhe!«, brüllte Ranculos. Und als die Drachen verdutzt innehielten, wandte er sich der Kupferdrachin zu. »Was hast du getan?«, fragte er sie. »Du, die du nicht einmal halb so viel Verstand wie ein anständiger Drache hast, du hast einem Menschen Blut gegeben? Du hast angefangen, ihn zu verwandeln? Es ist schlimm genug, dass so viele sich verändert haben, nur weil sie in unserer Nähe sind. Erinnerst du dich denn nicht, was vor Urzeiten beschlossen wurde? Hast du die Scheußlichen vergessen? Willst du mehr von ihnen in die Welt bringen?«
»Wovon redest du?«, platzte es aus Sintara heraus. »Hör auf, in Rätseln zu sprechen! Besteht eine Gefahr für uns? Was hat sie getan?«
»Zum einen hat sie einen Jäger gefressen. Einen Jäger, der für uns Nahrung beschaffen sollte!«, empörte sich Ranculos.
Fauch schnaubte. »Ich kann mich selber füttern. Brauche keinen Jäger oder Hüter.«
»Seit Tagen bringen uns die Menschen kein Futter mehr«, stellte Veras fest.
»Das mussten sie auch nicht. Wir hatten ausreichend toten Fisch«, versetzte Sestican.
Als der lange Nachmittag sich dem Abend zugeneigt hatte, waren die Drachen in die Nähe des Kahns zurückgekehrt. Der Flusspegel war noch weiter gesunken, und während das Wasser abfloss, kamen schlammbedecktes Dickicht und Grasklumpen zum Vorschein. Heute Abend freute sich Sintara darauf, an einem einigermaßen trockenen Platz zu schlafen. Und morgen würden sie weiter flussaufwärts wandern. Bevor die Kupferne zurückgekommen war, hatte es fast den Anschein gehabt, als kehre alles wieder zur Normalität zurück.
»Einer von uns sollte mit ihr reden, nicht alle zusammen, sonst bekommen wir im Leben nichts Sinnvolles aus ihr heraus.« Sintara löste sich von den anderen und ging auf die Kupferne zu. Sie musterte sie genau. Relpda hatte sich verändert. Ihre Bewegungen waren sicherer, und sie sprach deutlicher. Etwas war mit ihr geschehen. Sintara konzentrierte sich auf die kleine Drachin. »Relpda, warum hast du den Jäger gefressen? War er bereits tot?«, fragte sie.
Relpda dachte über die Antwort nach, während sie durch den Schlamm auf die anderen zutrottete. »Nein. Aber er wollte mich umbringen. Und deshalb hat mein Hüter ihn angegriffen. Und dann, als ich sah, dass mein Hüter versucht hat, ihn zu töten, habe ich ihn gefressen. Er war eine gute Mahlzeit.« Die Kupferne sah sich um. »Gibt’s hier Fisch?«
»Der Fisch ist aufgebraucht. Morgen müssen wir weiter.« Sintara versuchte, sie zum Thema zurückzuführen. Ihr fiel auf, dass die anderen ruhig geworden waren und lauschten. »Was meinst du damit, dass dein Hüter Blut getrunken hat? Und wer soll dein Hüter überhaupt sein?«
Relpda neigte den Kopf, um die Schnauze an ihrem Vorderlauf zu reiben. Dadurch bekam sie mehr Schlamm ins Gesicht, als sie loswurde. »Sedric«,
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