Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
die Pritsche gesetzt und entspannt. Sonderbar, wie gemütlich seine muffige, stickige Kammer ihm nach alldem, was er kürzlich erlebt hatte, erschien. Selbst das zerwühlte Bett wirkte einladend.
Beim Ausziehen ließ er die schmutzigen, zerlumpten Kleider zu Boden fallen. Er nahm sich Zeit fürs Waschen. Seine Haut war zu empfindlich, um dabei zu hetzen. Obwohl er von einer Wanne mit warmem, schaumigem Wasser träumte, war er dankbar für diese kleine Wohltat. Als er fertig war, hatte sich das Wasser in eine braune Brühe verwandelt und war kalt. Er griff zu einem sauberen Nachthemd und zog es über. Es war eine wahre Freude, weichen Stoff auf seiner gereizten Haut zu spüren. Beim Waschen hatte er festgestellt, dass die geschwollene Wange nur die offensichtlichste Verletzung war, die Jess ihm beigebracht hatte. Auch auf dem Rücken und an den Beinen hatte er Prellungen, und er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie er sie erhalten hatte.
Nachdem er so sauber war, wie es mit dem rationierten Wasser eben ging, rieb er Duftöl auf die schlimmsten Verätzungen – und runzelte die Stirn, weil er nicht mehr viel übrig hatte. Jemand hatte seine Kleider gewaschen. Er zog sich an, betrachtete seine abgelegten Sachen und stellte fest, dass sie nur noch Lumpen waren. Mit dem Fuß schob er sie zur Tür.
Da hörte er metallisches Klimpern auf dem Boden. Er griff zur Kerze und sah nach, wobei er sich fragte, was ihm heruntergefallen war. Auf dem Boden lag sein Medaillon. Aus Gewohnheit öffnete er es. Im trüben Kerzenlicht starrte Hest ihn an.
Sedric hatte das winzige Portrait bei einem der besten Maler Bingtowns in Auftrag gegeben. Und der Kerl war wirklich gut. Hest hatte ihm nur zweimal Modell gesessen und sich über die Termine geärgert. Nur weil Sedric es sich zum Geburtstag gewünscht hatte, hatte er sich überhaupt darauf eingelassen. Hest hatte die ganze Sache nicht nur gefühlsduselig gefunden, sondern auch gefährlich. »Ich warne dich, wenn jemand auch nur von Ferne sieht, dass du es trägst, werde ich alles abstreiten und dich allein dem Gespött überlassen.«
»Etwas anderes erwarte ich auch nicht«, hatte Sedric geantwortet. Damals schon hatte er sich allmählich damit abgefunden, dass er für Hest mehr empfand als dieser für ihn, wie ihm nun klar wurde. Nun sah er auf das hochmütige Lächeln hinab und erkannte die leichte Krümmung der Lippen, die der Maler so treffend eingefangen hatte. Nicht einmal auf einem Portrait betrachtete Hest ihn mit Achtung oder gar Liebe.
»Habe ich mir dich nur eingebildet?«, fragte er das winzige Abbild. »Hast du jemals als der Mensch existiert, nach dem ich mich gesehnt habe?« Er ließ das Medaillon zuschnappen, wickelte die Kette in seiner Handfläche auf und schloss die Finger darum zur Faust. Dann setzte er sich auf den Rand der harten, flachen Pritsche und drückte die geschlossene Hand an die Stirn. Er schloss die Augen und versuchte, sich zu erinnern. An einen Kuss, den Hest ihm nicht als Forderung, sondern aus Zärtlichkeit heraus gegeben hatte. An eine freigebige Berührung, die nichts als reine Zuneigung war. An ein Wort des Lobs oder der Zuneigung, das nicht von Sarkasmus verpestet war. Er war überzeugt, dass es solche Momente gegeben hatte, aber keiner wollte ihm einfallen.
Ungebeten kam ihm der Gedanke an Carsons Hand und wie sie über sein geschwollenes Gesicht gestrichen hatte. Seltsam, dass die schwielige Hand des Jägers sanfter war als jede Berührung, die er vom feinsinnigen Hest empfangen hatte.
Nie zuvor hatte er jemanden wie Carson kennengelernt. Er hatte ihn nicht darum gebeten, seine Rolle bei Jess’ Tod geheim zu halten, doch bei seinem Bericht hatte er den Jäger mit keiner Silbe erwähnt. Auch über das Boot hatte er sich ausgeschwiegen und es den anderen überlassen, darüber Mutmaßungen anzustellen. Bevor sie vom Floß aufgebrochen waren, hatte Carson darauf bestanden, das Boot auszuwischen, die Blutflecken wegzuschrubben und das übel riechende Bilgewasser auszuleeren. Auch das Beil hatte er gesäubert und in die dafür vorgesehene Scheide gesteckt. Bei alledem hatte er kein einziges Mal geäußert, dass er die Spuren eines Mordes beseitigte.
Er hatte es einfach getan. Und seither schirmte er ihn vor den Fragen ab. Sedric nahm an, dass es früher oder später herauskommen würde. Relpda war zu stolz auf ihre Tat, um sie für sich zu behalten. Aber er war froh, dass es noch nicht jetzt sein musste. Denn sein eigenes Geheimnis war
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