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Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer

Titel: Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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haarsträubende Frage mit der Naivität eines Kindes. Und wie bei einem Kind lag Sehnsucht und Furcht in ihrer Stimme. Er versuchte, zu ergründen, welche Antwort sie hören wollte, damit er sie ihr geben konnte. Schließlich entschied er sich zu folgender: »Ich bin ganz gewiss nicht die richtige Adresse für eine solche Frage. Schließlich hat er dich geheiratet, nicht wahr? Gibt er dir nicht nahezu alles, was du dir wünschst? Diese verlängerte Reise mit eingeschlossen?«
    »Er gibt mir alles, was er mir geben muss. Alles, wozu ihn unser Handel verpflichtet. Ich habe seinen Namen und seinen Stand, Geld, das ich nach Belieben ausgeben kann, die Möglichkeit, all meine freie Zeit damit zu verbringen, über alten Schriftrollen zu brüten. Ich habe herrliche Kleider und einen ausgezeichneten Koch und ein gut bestelltes Zuhause. Wenn er es wünscht, lade ich seine Gäste ein. Ich mache alles, was er von mir erwartet. Ich … ich habe bei seinen Anstrengungen mitgewirkt, ihm einen Erben zu …«
    Bis zu diesem Punkt hatte sie Stimme und Gesicht sehr gut unter Kontrolle gehabt. Doch plötzlich, bei den letzten, atemlosen Worten fielen ihre Züge auseinander, ihre Nase lief rot an, und Tränen quollen aus ihren Augen. Der Wechsel war so unvermittelt wie schockierend. Innerhalb eines Herzschlags verwandelte sich die gesetzte und zurückhaltende Alise in eine Fremde. Sie krümmte sich am Fuß seines Bettes zusammen, bedeckte das Gesicht mit den Händen und heulte laut und ungestüm. Und, wie er mit beginnender Panik erkannte, vollkommen unbeherrscht. »Alise, Alise«, flehte er sie an, aber ihre Schluchzer wurden nur noch krampfhafter und ließen ihren ganzen Leib erbeben. Er setzte sich auf, jeder Muskel tat ihm weh. Behutsam legte er den Arm um sie. Sie drehte sich zu ihm um und schmiegte sich an ihn an. Ihre Schultern zitterten vor Leid.
    »Was ist denn?«, fragte er, auch wenn ihm vor der Antwort graute, ganz gleich, welches Geheimnis sie im Begriff stand, zu enthüllen. »Alise, was hast du denn? Was ist dir denn?«
    Seine Frage schien zu ihr durchzudringen. Vielleicht gab sie ihr die Erlaubnis auszusprechen, was ihr diesen Kummer bereitete. Sie richtete sich ein wenig auf und tastete in ihrer Tasche nach einem Taschentuch. Das Tuch, das sie schließlich herauszog, war so fleckig und verschlissen, dass es eher zu einem jamaillianischen Straßenjungen gepasst hätte als zur Gattin eines Händlers. Nichtsdestotrotz trocknete sie sich das Gesicht damit ab, holte Luft und sprach. Dabei sah sie ihn nicht an, sondern hielt den Blick auf die Kerze in ihrer Hand gerichtet.
    »Als Hest mir den Hof gemacht hat, war ich argwöhnisch, was seine Absichten anging. Er war eine derart gute Partie, ein solcher Hauptgewinn, und ich war nur eine jüngere Tochter, weder hübsch noch mit irgendwelchen Aussichten und kaum einer vorzeigbaren Mitgift. Ich wurde sogar wütend, weil er mir den Hof gemacht hat. Ich dachte, er macht das nur wegen einer Wette oder es wäre ein gemeiner Scherz. Ich nahm es ihm sogar übel, dass er sich in mein Leben und meine Arbeit eingemischt hat. Aber als er nicht lockerließ und so liebreizend wie er war, habe ich mich dazu hinreißen lassen, mich nicht nur ein bisschen in ihn zu verlieben, sondern auch zu glauben, dass er ein ähnliches Gefühl für mich in seinem Innern barg.« Sie stieß ein ersticktes Lachen aus.
    »Tja, er hat sich wirklich gut verstellt, auch in all den Jahren unserer Ehe. Wenn es darum geht, Worte zu verdrehen, ist er überaus gerissen. Er vermag Komplimente zu machen, bei denen mich alle am Tisch anlächeln, während nur ich die zahlreichen Spitzen erkenne, die sich darin verstecken. Allen anderen präsentiert er ein so freundliches Gesicht. Vor unseren Freunden und Familien gibt er den fürsorglichen, ja gar verliebten Ehemann. Mir gegenüber jedoch …« Sie wandte sich ihm abrupt zu. »Liegt es an mir, Sedric? Erwarte ich zu viel? Sind alle Männer wie er? Mein Vater war zuweilen zärtlich, manchmal vergnügt, doch immer gütig zu meiner Mutter. Hat er uns Kindern damit immer nur etwas vorgespielt? War er kalt und rüpelhaft und grausam zu ihr, wenn sie alleine waren?«
    In ihrer Stimme lag ein solches Hilfsbedürfnis, eine solch unverhohlene Ratlosigkeit, dass er sich in die Zeit ihrer Jugend zurückversetzt fühlte. Damals hatte sie ihm zuweilen derartige Fragen gestellt im vollsten Vertrauen darauf, dass er älter und erfahrener in den Dingen des Lebens war. Ohne darüber

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