Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer

Titel: Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
prachtvolles Refugium erbaut hatte. Dann bestiegen Hest und er nachts in aller Heimlichkeit ein Schiff und segelten ihrem neuen Leben entgegen, das frei war von Lügen und Betrug.
    Doch seit einiger Zeit hatte er noch andere Tagträume. Sie waren bitter, besaßen aber auch eine durchdringende Süße. Er hatte sich ausgemalt, wie er nach Bingtown heimkehrte, um festzustellen, dass Hest ihn durch diesen verdammten Redding ersetzt hatte. In seinem Traum behielt er sein Vermögen und zog allein nach Chalced, um Hest später eröffnen zu können, dass er all dies hätte haben können, wenn er Sedric nur mehr Wertschätzung entgegengebracht hätte, wenn er nur aufrichtig mit seinen Gefühlen gewesen wäre.
    Nun erschienen ihm all diese Träume dumm und seicht, Wunschträume närrischer Jugend. Er zog die kratzende Wolldecke über die Schultern und drückte die Augen fester zu. »Vielleicht kehre ich nie wieder nach Bingtown zurück«, sagte er laut. Er versuchte, sich diesem Gedanken zu stellen. »Und selbst wenn ich es tue, werde ich nie wieder ganz gesund sein.«
    Für einen Moment ließ er zu, dass ihm seine eigene Persönlichkeit entglitt. Sofort war sie im hüfthohen kalten Flusswasser und kämpfte gegen die eisige Flut. Am Bauch spürte sie die Teerpfropfen, die Leftrin ihr auf die Wunden geschmiert hatte. Sedric spürte, dass sie schwach nach ihm tastete, ein Flehen um Gemeinsamkeit und Trost. Doch das wollte er ihr nicht geben. Allerdings war er nie ein kaltherziger Mensch gewesen. Deshalb antwortete er, als sie bettelnd in seinen Geist eindrang. »Du bist stärker, als du denkst«, erklärte er ihr. »Geh nur weiter. Folge den anderen, meine kupferne Schönheit. Bald wirst du bessere Tage sehen, doch jetzt musst du stark bleiben.«
    Ein warmer Schwall von Dankbarkeit umspülte ihn. Es wäre so einfach gewesen, sich in dem Strom treiben zu lassen. Doch er ließ die Welle an sich vorbeiziehen und spornte sie an, die ganze Kraft ihres beschränkten Geistes auf den strapaziösen Weg zu richten. In dem kleinen Winkel seines Geistes, der noch ihm selbst gehörte, fragte er sich, ob es eine Möglichkeit gab, sich von diesem unwillkommenen Zugriff zu befreien. Würde er ihre Schmerzen spüren, wenn die Kupferdrachin starb? Oder nur die Freude über die gewonnene Freiheit?
    Alise kehrte an den Tisch in der Kombüse zurück und setzte sich Leftrin gegenüber, der wie immer eine Tasse schwarzen Kaffee vor sich stehen hatte. Um sie her wuselte die Mannschaft, um den Kahn voranzutreiben, es war wie das Kommen und Gehen in einem Bienenstock. Der Steuermann stand an der Ruderpinne, die Leute mit den Stocherstangen gingen auf Deck auf und ab, ohne je ihren Rhythmus zu unterbrechen. Durch das Fenster des Deckshauses konnte Alise sehen, wie Hennesey und Bellin ihre Runden machten. Grigsby, der gelbe Schiffskater, thronte auf der Reling und sah auf das Wasser. Noch vor Tagesanbruch war Carson aufgebrochen, um vorauszufahren und Wild für die Drachen zu erlegen. Davvie war jedoch an Bord geblieben. Auf sonderbare Weise war der Junge auf Sedric und dessen Wohlbefinden fixiert. Deshalb ließ er es nicht zu, dass ein anderer die Mahlzeiten für den Patienten zubereitete und sie ihm brachte. Alise fand es gleichermaßen rührend wie irritierend, dass ein Knabe, der aus solch rauen Verhältnissen kam, derart von einem jungen eleganten Händler fasziniert war. Leftrin hatte deswegen schon zweimal gemurrt, doch da sie nicht verstanden hatte, weshalb er sich beschwerte, war sie nicht weiter darauf eingegangen.
    Normalerweise hatten sie und Leftrin um diese Zeit ein wenig Ruhe und waren für sich. Doch heute war Jess an Bord des Kahns geblieben, und obwohl er kaum ein Wort sprach, war seine Gegenwart doch ein Ärgernis. Wohin sie auch ging, er war immer in der Nähe. Gestern hatte sie zweimal bemerkt, dass er sie angestarrt hatte. Und dabei hatte er ihr bedeutungsschwanger zugenickt, als wären sie sich über etwas einig. Bei ihrem Leben konnte sie sich nicht zusammenreimen, was er sich dabei dachte. Gerne hätte sie darüber mit Leftrin gesprochen, aber Jess schien stets in Hörweite herumzulungern.
    Der Jäger beunruhigte sie. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass Leftrin von der Regenwildnis gezeichnet war. Sie akzeptierte es als Teil seiner Persönlichkeit und nahm es nur noch wahr, wenn ein Sonnenstrahl die Schuppen seiner Brauen zum Glitzern brachte. Dann fand sie es exotisch und nicht abstoßend. Jess aber war weniger schmeichelhaft

Weitere Kostenlose Bücher