Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
hier ist er. Ich bin deiner überdrüssig. Gelangweilt von dir und deinem Gewimmer. Ich habe es satt, dir Löhne zu zahlen, die du dir kaum verdient hast, habe es satt, dass ich dich durchfüttern muss wie einen Schmarotzer. Du verabscheust Redding, nicht wahr? Aber sage mir, was macht dich besser als ihn? Er verfügt immerhin über ein eigenes Vermögen. Wenigstens kann er für sich selbst bezahlen.«
Sedric bewegte den Mund und versuchte zu sprechen. Er wollte Hest sagen, dass er etwas Bedeutendes vollbracht hatte, dass er mit den Schuppen und dem Drachenblut ein Vermögen verdienen würde, das er gerne mit Hest teilen würde. Gib mich nicht auf, wollte er sagen. Verlass mich nicht und wende dich einem anderen zu, nicht jetzt, wenn ich nicht einmal zugegen bin und keinen Versuch unternehmen kann, dich umzustimmen. Er bewegte die Lippen, aber es drang kein Laut aus seiner gequälten Kehle. Nur ein paar Tropfen Drachenblut perlten von seinen Lippen.
Und es war zu spät. Redding war dort, Redding mit seinem dicken, kleinen Nuttenmund, den Wurstfingern und den fettigen goldenen Locken. Redding war dort, er stand neben Hest und fuhr ihm mit dem Finger den nackten Arm auf und ab. Hest wandte sich ihm lächelnd zu. Plötzlich senkten sich seine Augenlider in einer Art und Weise, die Sedric nur zu gut kannte, und dann fuhr er wie ein Falke herab, um Redding zu küssen. Sedric konnte Hests Gesicht nicht länger sehen, aber dafür Reddings Hand, die wie ein Seestern auf Hests muskulösem Rücken lag und ihn zu sich heranzog.
Sedric wollte schreien und spannte seine Kehle an, bis sie schmerzte, aber er brachte keinen Laut heraus.
Sie haben dir wehgetan? Soll ich sie töten?
»Nein!« Unvermittelt platzte es aus ihm heraus. Er fuhr auf und erwachte dabei. Dann erst stellte er fest, dass er auf der verschwitzten Bettstatt seiner kleinen muffigen Kabine lag. Um ihn her herrschte Düsternis. Kein Hest, kein Redding. Nur er selbst. Und eine kleine Kupferdrachin, die beständig gegen die Mauer seines Bewusstseins anstürmte. Schwach spürte er ihre Fragen, ihr blödsinniges Interesse an ihm. Er schob sie beiseite, drückte die Augen zu und vergrub das Gesicht in dem Bündel, das ihm als Kissen diente. Nur ein schlechter Traum, redete er sich ein. Nur ein Albtraum.
Aber einer, der nur zu leicht wahr sein konnte.
In trüben Stunden war er der Überzeugung, Hest hätte ihn schon eine ganze Weile lang loswerden wollen. Dass Sedric Alise in Schutz genommen hatte, war vielleicht nur der Anlass gewesen, ihn in die Wüste zu schicken.
Mit einiger Anstrengung konnte sich Sedric ins Gedächtnis rufen, wie es zwischen ihnen begonnen hatte. Hests Ruhe und Kraft hatten ihn angezogen. Wenn sie allein gewesen waren, hatte er in Hests kräftiger Umarmung das Gefühl gehabt, endlich einen sicheren Hafen gefunden zu haben. Und das Wissen, dass es eine Zuflucht für ihn gab, hatte ihn ermutigt und gestärkt. Selbst sein Vater hatte gemerkt, dass er sich verändert hatte, und ihm gesagt, dass er stolz auf den Mann sei, der aus ihm werden würde.
Wenn der nur wüsste!
Wann hatte sich Hests Kraft aus einer Zuflucht in eine Gefängnismauer verwandelt? Wann hatte Sedric angefangen, diese Kraft nicht mehr als willkommene Schutzmacht, sondern als eine gegen ihn gerichtete Bedrohung zu empfinden? Wieso hatte er die Tatsache, wie sehr sich die Dinge verändert hatten, wie sehr Hest ihn verändert hatte, zu keinem Zeitpunkt wahrgenommen? Doch eigentlich hatte er es schon gemerkt, musste er sich eingestehen. Es war ihm bewusst gewesen. Dennoch war er blindlings weitergestolpert und hatte Hests Grausamkeit und Gemeinheiten entschuldigt, indem er sich selbst die Schuld für die Missstimmungen gegeben und so getan hatte, als würde alles irgendwie wieder so werden wie früher.
War es denn jemals so gut gewesen? Oder war es nur ein Traum gewesen, den er sich selbst ersponnen hatte?
Er drehte sich zur Seite, drückte sein Gesicht ins Kissen und schloss die Augen. Er würde nicht an Hest denken oder daran, wie es früher zwischen ihnen gewesen war. Er würde sich nicht den Kopf darüber zermartern, was aus ihrer Beziehung geworden war. Im Moment hatte er nicht einmal genug Zuversicht, sich etwas Besseres für sie vorzustellen. Er wünschte, er hätte mehr Vorstellungskraft, für einen besseren Traum.
»Bist du wach?«
Er war nicht wach gewesen, aber jetzt war er es. Ein schmaler Lichtstreifen fiel durch die geöffnete Tür in Sedrics Kabine. Bei der
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