Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
sprachen kaum miteinander. Wenn sie beobachtete, welch innigen Umgang die anderen Hüter mit ihren Drachen hatten, empfand sie den Gegensatz zu vorher umso deutlicher. Tats und Fente standen sich sehr nahe. Zumindest glaubte sie das.
Tats legte ihr die Hände auf die Schultern und drückte sie sanft. »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich kommt es darauf an. Manchmal scheint sie mich zu brauchen, mich sogar gernzuhaben. Dann wieder, nun ja …«
Obwohl sie seine Hände abschüttelte, spürte sie doch, wie gut die warme Berührung ihren wunden Muskeln tat. Er verstand ihre Zurückweisung und trat einen Schritt zurück. Wie eine hitzige Flutwelle schwappte das Bild von Grefts und Jerds ineinandergeschlungenen Leibern über sie herein. Einen Wimpernschlag lang stellte sie sich vor, wie es wäre, sich umzudrehen und den Mut zu haben, mit der Hand über Tats nackten Rücken zu fahren. Doch gleich darauf hatte sie vor Augen, wie seine Hände über ihre geschuppte Haut strichen. Als streichle er eine warmblütige Eidechse, verhöhnte sie sich und presste die Lippen aufeinander, damit sie wegen der Ungerechtigkeit nicht losheulen musste. Greft und Jerd mochten wohl dem Verbotenen frönen, aber womöglich nur, weil sie ineinander Partner gefunden hatten, die wie sie selbst Ausgestoßene waren. Von ihnen brauchte sich keiner davon abgestoßen zu fühlen, dass der andere von der Regenwildnis gezeichnet war. Bei Tats wäre das aber nicht der Fall. Er stammte aus dem Kreis der Tätowierten und war nicht in der Regenwildnis geboren worden. Seine Haut war so glatt wie die eines Mädchens aus Bingtown und bildete keinerlei Hautlappen oder Schuppen. Im Gegensatz zu ihrer eigenen.
»Ein langer Tag«, füllte Tats ihr Schweigen.
In seinem vorsichtig tastenden Tonfall lag die Frage, ob er sie verärgert hatte, weil er sich diese Freiheit erlaubt hatte. Sie schluckte ihren Groll auf das Unabänderliche hinunter und sagte mit beherrschter Stimme: »Es ist ein langer Tag, und mir tut immer noch alles weh von Mercors ›Rettung‹. Ich freue mich auf das Feuer und eine warme Mahlzeit.«
Wie als Antwort darauf kletterten die Flammen plötzlich an dem aufgeschichteten Treibholz empor. Im Lichtschein waren ihre Freunde zu erkennen, die sich um das Feuer scharten. Neben dem hageren Harrikin stand die kleine Sylve. Sie lachten über Warken, der mit seinen langen Gliedern einen wilden Tanz vollführte, um die Funken aus seinem Haar und seinem verschlissenen Hemd zu schütteln.
Kase und Boxter, die beiden Vettern, steckten wie immer zusammen, zwei große Schatten in der Dunkelheit. Lecter stolzierte an ihnen vorbei, und die Dornen in seinem Nacken und auf seinem Rücken hoben sich deutlich vor dem Feuer ab. Er hatte das Hemd am Rücken aufschneiden müssen, so sehr waren sie im Wachsen begriffen. Dieser Anblick machte ihr wieder etwas Mut. Dies sind meine Freunde, dachte sie mit einem Lächeln. Sie waren ebenso gezeichnet wie sie. Dann fiel ihr Jerds Profil auf. Sie saß auf einem Stück Treibholz, und Greft stand hinter ihr, kraftvoll und beschützend. Eben lehnte Jerd sich zurück, um sich mit ihm zu unterhalten, sodass ihr Kopf an seinem Oberschenkel ruhte. Greft beugte sich bei der Antwort zu ihr herunter, und für einen Moment wurden sie zu einer einzigen Gestalt, eine Einheit, die den Rest der Welt ausschloss.
Eifersucht versetzte Thymara einen Stich. Nicht, dass sie Greft gewollt hätte, aber sie wollte, was die beiden sich genommen hatten. Jerd lachte, und Grefts Schultern bewegten sich, da er ihre Heiterkeit teilte. Die anderen beachteten den engen Umgang der beiden miteinander entweder nicht oder sie fanden sich damit ab. War sie die Einzige, der es unbehaglich war, und die sich über diese Zurschaustellung empörte?
Ohne es zu merken, folgte sie Tats zum Feuer. »Was denkst du über Jerd und Greft?«, fragte sie und war schockiert, dass sie es ausgesprochen hatte. Sofort bereute sie die Frage, denn als Tats sich zu ihr umwandte, war ihm deutlich anzusehen, dass er überrascht war.
»Jerd und Greft?«, sagte er.
»Sie schlafen zusammen. So richtig.« Sie hörte ihre eigene Unverblümtheit und Wut. »Bei jeder Gelegenheit tut sich Jerd mit ihm zusammen.«
»Im Moment noch«, beschwichtigte Tats sie, und als er weitersprach, schien er auf etwas ganz anderes zu antworten. »Jerd würde mit jedem gehen. Das wird Greft früh genug herausfinden. Oder er weiß es schon und schert sich nicht darum. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er
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