Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
Bäumen!«
Aus einiger Entfernung vernahm sie, dass der Ruf von einem anderen Drachen wiederholt wurde. Vielleicht sogar ein weiteres Mal. Danach hörte sie in unregelmäßigen Abständen die Rufe eines Drachen. Sie schienen aus Richtung des Ufers zu kommen. »Folge dem Klang«, drängte sie Sintara.
Dem Rat zu folgen, war nicht einfach. Die Strömung hatte sie fest im Griff, und das Treibgut bildete Hindernis um Hindernis, während sich Sintara auf das Ufer zu kämpfte. Einmal gerieten sie in einen Strudel und wurden so lange im Kreis geschleudert, bis Thymara jegliche Orientierung verloren hatte.
Alise hielt sich an Thymaras Gürtel fest und biss die Zähne zusammen, angesichts der neuerlichen, schmerzhaften Verätzungen. Wo das kupferfarbene Kleid sie bedeckte, war ihre Haut geschützt, aber Wangen, Stirn und Augenlider brannten nach der Berührung mit dem beißenden Wasser. Sie streckte das Gesicht dem wohltuenden, kühlenden Regen entgegen und knirschte mit den Zähnen, die Lippen zu einem boshaften Lächeln verzogen. Sie machte sich wegen ein wenig Schmerzen Sorgen, dabei konnte sie jederzeit sterben. Wie lächerlich. Sie lachte lauthals.
Thymara drehte sich zu ihr um und starrte sie an. »Geht es Euch gut?«
Kurz verunsicherte Alise das Glühen von Thymaras blassblauen Augen in der Nacht. Aber dann nickte sie grimmig. »Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Ich habe bisher acht Drachen gezählt. Das bilde ich mir zumindest sein. Kann sein, dass ich welche zweimal gezählt habe.«
»Ich habe keine Hüter gesehen. Oder Teermann . Habt Ihr sie gesehen?«
»Nein«, sagte Alise knapp. Darüber durfte und konnte sie sich im Moment keine Sorgen machen. Teermann war schließlich ein großes Schiff, es war bestimmt heil geblieben. Leftrin würde ihr zu Hilfe eilen. Das musste er einfach. Denn er war nunmehr ihre einzige Hoffnung. Einen Augenblick lang wunderte sie sich darüber, dass sie so viel Vertrauen in einen bloßen Menschen setzen konnte. Dann schüttelte sie den Gedanken ab. Er war alles, worauf sie sich verlassen konnte. Sie würde jetzt nicht an ihm zweifeln.
Um sie her schäumte und toste das Wasser. Der Lärm bestürmte ihre Ohren. Zwar war die Wut der ersten Welle vorbei, aber das nachfolgende Wasser ließ den Fluss anschwellen und verlieh ihm Kraft. Als ritte sie auf einem Pferd, klammerte sie sich mit den Knien fest, hielt sich an Thymaras Gürtel und betete. Von der langen Anspannung schmerzten ihr alle Muskeln. Gütiger Sa, wie lange sollte das blanke Entsetzen nur andauern? Unter ihr mühte sich die Drachin ab und schien an Kraft verloren zu haben. Alise fragte sich, wie viel Zeit verstrichen war. Der Drache musste erschöpft sein. Würde Sintara aufgeben, würden sie alle sterben. Alise war bewusst, dass sie ohne Sintara in der Flut nicht überleben konnte. Sie beugte sich vor.
»Es ist nicht mehr weit, meine Schöne, meine Königin. Sieh, dort fangen die Bäume an. Das schaffst du. Versuche nicht, auf dem geraden Weg dorthin zu schwimmen, sondern lasse dich von der Strömung treiben, aber steure allmählich aufs Ufer zu, meine Perle, mein kostbarer Schatz.«
Sie spürte eine Reaktion der Drachin, eine neue Kraft, als hätten ihre bloßen, menschlichen Worte sie auf eine Weise angefeuert, die sie über die körperliche Anstrengung hinwegsehen ließ.
Auch Thymara spürte es. »Große Königin, du musst durchhalten. Ohne dich können die Erinnerungen deiner Vorfahren nicht bis ans Ende der Zeit weitergetragen werden. Schwimm! Oder alles, was sie waren, wird für immer verloren sein, und die Welt wird ärmer werden. Du musst überleben. Unbedingt!«
Viel zu langsam rückte das Ufer näher. Trotz der Anfeuerung ließen Sintaras Kräfte nach. Dann hörte sie hallende Rufe. Am Ufer zwischen den Bäumen entdeckte sie Drachen. Sie riefen Sintara zu, und Alise durchfuhr ein Schauer, als sie auch menschliche Stimmen darunter vernahm.
»Es ist Sintara! Es ist Thymaras blaue Königin! Schwimm, Königin, schwimm! Gib nicht auf!«
»Gütiger Sa, da sitzt jemand auf ihrem Rücken! Wer ist das? Wen hat sie gerettet?«
»Schwimm, Drache! Schwimm! Du schaffst es!«
Plötzlich erhob Thymara die Stimme. »Sylve? Bist du das? Alise und ich sind hier, Sintara hat uns gerettet!«
Da drang Sylves hohe Stimme zu ihnen. »Versucht nicht, auf das Treibgut zu steigen, ihr verheddert euch nur darin. Brecht hindurch, bis ihr zu den Bäumen gelangt. Dann legen wir ein paar große Bäume unter dich, Sintara,
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